Aus der wunderbaren Welt der Abkürzungen. Gemeint ist natürlich die Le Monde Diplomatique, Europas größte politische Monatszeitschrift mit einem konsequent internationalen Anspruch. Denn welche Zeitschrift kann schon von sich behaupten, dass sie in Französisch, Englisch, Deutsch, Bulgarisch, Spanisch, Katalanisch, Kroatisch, Chinesisch, Afrikaans, Arabisch, Esperanto, Farsi, Griechisch, Italienisch, Japanisch, Norwegisch, Portugiesisch, Russisch, Serbisch und Slovenisch mit einer Gesamtauflage von 1,4 Millionen Exemplaren erscheint. Es kann nur immer wieder betont werden, wie dieser Blick über den Tellerrand den Blick auf die lokale und regionale politisch-wirtschaftlich-soziale Realität im eigenen Land schärft.
Aus der Novemberausgabe, die zwischenzeitlich vollständig online einsehbar ist, empfehle ich drei Artikel.
Das unser Wirtschaftssystem zumindest kurios ist, das es allen Erkenntnissen der Wirtschaftsgeschichte und simpler Mathematik (Endlichkeit von Resourcen!) widerspricht, ist nicht erst seit dem Auftreten von Attac bekannt. Im deutschen Editorial ist ein erfrischender Blick von außen zu sehen. Vielleicht erinnert sich noch einer an den von der NASA beauftragten Wissenschaftler James Lovelock und seine Erkenntnisse über unseren blauen Planeten und den daraus entwickelten Modellen (“Daisy-World”).
Eher ungewöhnlich empfinde ich Serge Latouche Überlegungen zu ökologischen Alternativen zum bestehenden Wirtschaftssystem. Aber vielleicht bin ich auch einfach verblendend und denke nur noch in kapitalistischen Prämissen. Große Ideen für eine andere Welt sind selten geworden.
Mein letzter Hinweis bezieht sich auf eine arabische Sicht. Fatima Mernissi beschreibt in ihrer Einleitung die Denkblockaden der heutigen Reporter. Jede nicht westliche Frau wird mit stereotypischen Fragen belästigt. Es gibt nur wenig Erkenntnisinteresse und stattdessen geht es um die Bestätigung des Mainstream.
Gespräche mit Journalisten sind stets eine Offenbarung. Die Anforderungen der Redaktionen und die verschiedenen Scheren im Kopf führen zu unsinnigen Fragen. Als ehemaliger (?) Experte für die Geschichte der Spanischen Influenza habe ich dies in Interviews erfahren müssen. Offiziell geht es weiterhin stets um die neue Nachricht, aber der rasant expandierende Boulevard-Journalismus hat zwischenzeitlich auch viele früher ernstzunehmende Medien (vor allem „Der Spiegel“) verludert. Die Hure Aufmerksamkeit, Einschaltquote, Auflagenhöhe …
Aus der Dezember-Ausgabe der Le Monde Diplomatique ist bisher nur das Editorial des Herausgebers Ignacio Ramonet erschienen. Folter ist in Deutschland auch das große Thema der ernstzunehmenden Journale. In meiner moralisierenden Sicht der Welt steht ein Folterer noch weit unter einem Henker und die Befürworter von “ein wenig Folter gegen den Terror” begeben sich außerhalb dessen, was ich als Zivilisation bezeichne. Jan Philipp Reemstma hat hierzu aktuell ein Buch veröffentlicht und zeigt in einem Interview einige der Irrwege dieser Apologeten der Barbarei auf.
1 Kommentar:
Moin Jürgen (a.k.a. Tetteh Quarshie)!
Also endlich hast du auch dein Blog... na ja, man ist ja halt nichts ohne einem Blog heutzutage ;)
Was die Artikel betrifft, besonders das Reemtsma-Interview... Ich bin nicht überzeugt. Stellen wir uns zwei Fälle vor. Im Fall (A) hört Person A, der eine Kebab-Bude betreibt, eine Konversation von T1 und T2 mit, indem sie einen Terroranschlag planen. Im Fall (B) hört B, der in derselben Terrororganisation ist mit T1 und T2, von ihren Plänen, indem sie ihn in die Planung miteinbeziehen. Das 'forced interrogation' (da Folter evidenterweise nicht viel an Ergebnissen erzielt - es ist bewiesen, dass Folter im klassischen Sinn nicht geeignet ist, Informationen aus jemandem herauszuziehen) von A kann ein Rechtsstaat nicht verantworten. Das 'forced interrogation' von B kann es nicht ablehnen - die Verantwortung des Staates liegt primär gegenüber den Unschuldigen und erst sekundär gegenüber den Schuldigen.
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