Sonntag, Februar 26, 2006

Waterpolo - Wasserball

Es gibt solche Spiele und es gibt solche Spiele, doch sollten sie nicht mit den echten Spielen einer Sportart verwechselt werden.
Ich schaue mir viele Heimspiele im Waterpolo / Wasserball an und meine Mannschaft ist Laatzen. Am Samstagabend spielte Laatzen auswärts gegen FS Hannover. Die Region Hannover ist einer der Schwerpunkte für Wasserball in Deutschland. Eine Mannschaft spielt in der 1. Bundesliga (Waspo) und die zwei genannten Teams spielen in der 2. Bundesliga. So gibt es also einmal im Jahr ein Auswärtsspiel im heimischen Becken des Sportleistungszentrums vom Olympiastützpunkt.

Seit dem Beginn dieser Saison wurden einige Regeln verändert, zum Guten!
Jedes Viertel dauerte nunmehr acht Minuten und die lange Pause nach zwei Vierteln wurde auf fünf Minuten verkürzt. Bisher dauerte ein Spiel etwa 90 Minuten (inkl. Pausen und Unterbrechungen), jetzt nur noch 60 Minuten. Die Angriffszeit wurde auf 30 Sekunden reduziert. Es muss also schneller eine Aktion zum Torwurf geführt werden.
Zum Spiel. Das erste Viertel fing gut an. Der Sprinter Marcello Polverino erschwamm für Laatzen den Ball. Wie stets wurde viel abgetastet und die Torwürfe waren zunächst verhalten. FS Hannover legte mit dem ersten Tor vor, aber bis zum ersten Pausenpfiff kam es zum verdienten Ausgleich. Die beiden Schiedsrichter pfiffen sehr viel und versuchten bereits sehr deutlich zu machen, dass sie das Spiel kontrollieren. Das zweite Viertel zeigte einmal die herausragende Qualität von Marcello. Wieder gewann er für Laatzen mit mehreren Metern Vorsprung den Ball. Es wurde hart gespielt, regelmäßig gingen die Badekappen mit ihrem Ohrenschutz verloren. Doch es wurde schnell gespielt und entsprechend führte dies nie zu einer Unterbrechung. Ein Angriff der Hannoveraner wurde so vehement gestört, dass es den ersten 5-Meter-Strafwurf gab. Tja, und der wurde versemmelt. Der Gegenangriff der Laatzener wurde auch gestört, doch führte dies zur Herausstellung eines Hannoveraner Spielers. Das Überzahlspiel führte schließlich zu einem engagierten Torwurf, dessen Abwehrschlag des Torhüters aber direkt vor dem Center von Laatzen landete und in weniger als einer Sekunde zappelte der Ball im Netz. Führung für Laatzen. Warum im folgenden Angriff Andreas Politze eine 20-Sekunden-Zeitstrafe bekommen hat, ist mir ein Rätsel. Die Schiedsrichter sind darauf trainiert zwischen auskämpfen und foul spielen zu unterscheiden, doch die Kriterien sind oftmals ein Rätsel. Das dritte Tor erschien aus Perspektive wie ein Wembley-Tor. Der Torwart schob den Ball wieder hinaus, aber die Schiedsrichter hatten ihn vorher kurz hinter der Torlinie gesehen. Zur Halbzeit führte Laatzen mit 3:2.
Wenn ich eins nicht mag, dann sind dies tätliche Angriffe und leider musste ich im dritten Viertel einmal so etwas sehen und dann erleben, dass kein Foul gepfiffen wurde. Es war ein gut trainiertes Foul eines Hannoveraners an einem Laatzener etwa fünf Meter von mir entfernt. Der rechte Ellbogen wurde nach vorne geschoben und in einer Nachbewegung ein heftiger Faustschlag gegen den Laatzener Spieler ausgeführt. Da dies in einer Vorwärtsbewegung und mit einem tarnenden Ellbogen geschah, war es nur direkt zu sehen und nicht aus der schrägen Position des Schiedsrichters auf dieser Seite des Beckens. Proteste der Freunde und Ersatzspieler haben nie Auswirkungen auf Entscheidungen; die Schiedsrichter machen Tatsachenentscheidungen.
Ein Angriff der Laatzener verzögerte sich und die 30 Sekunden waren fast vorbei. Hannoveraner schwammen bereits zum Laatzener Tor, um diese Gelegenheit zu einem Kontertor zu nutzen. Und plötzlich waren die Gegenspieler von Andreas Politze nicht mehr an seiner Seite und er hatte den Ball. In der letzten Sekunde machte er mit seiner unwahrscheinlichen Wucht einen Distanzschuss und warf ein sehr schönes Tor. Das dritte Viertel sah noch mehr Fouls (die kranke Psychologie bei einem Derby) und bereits den ersten Spieler, der endgültig des Wassers verwiesen wurde. Bei diesem Spiel war sogar ein Schiedsrichterbeobachter anwesend, aber dennoch waren viele Entscheidungen der beiden "Unparteiischen" nicht nach zu vollziehen. Leider kam es nun zum Ausgleich.
Und dann ging alles sehr schnell und wurde sehr ärgerlich. Hannover nutzte jedes Überzahlspiel und auch die normalen Angriffe zu Torwürfen und immer wieder griff der Laatzener Torhüter ins Netz. 5:4, 6:4, 7:4, 8:4 und da gab ich das Zählen auf. Laatzen ging regelrecht unter. Kurz vor Schluß gelang dann aber noch ein versöhnendes Tor für Laatzen.
Das war nun das fünfte Lokalderby und viermal hat Hannover gewonnen. Dies steht aber in keinem Verhältnis zur Spielqualität der Mannschaften. Laatzen ist besser, aber gegen Hannover scheitern sie deutlich. Der unbedingte Wille zum Sieg kippt und plötzlich gelingt das Zuspiel nicht mehr und Torwürfe sind harmlos und oftmals direkt auf den Torwart gerichtet.
Eins haben diese Lokalspiele; nur bei diesen Derbys kann von einer Zuschauerschaft gesprochen werden. Viele Heimspiele haben nur die Ehemaligen, die Verletzten, die Junioren plus die Spielerfrauen bzw. Freundinnen und Eltern als Besucher. Zu einem Derby sind alle Plätze besetzt und Jubel und wütete Proteste hallen durch das Bad.
-----------
siehe auch die folgenden Einträge:
26. März Laatzen gegen Krefeld
30. April Laatzen gegen Köln

Donnerstag, Februar 23, 2006

Loccum - Europäische Identität + Verfassung

Ein Rückblick

180 Teilnehmende diskutierten im Plenum, in den Foren und vor allem bei Tisch und am Abend die Thesen und Vorträge. Wie stets wurden Netze gepflegt und einige Personen neu in Netze aufgenommen.
Fühlte mich am zweiten Abend im falschen Film, da Europa nur als ein Thema von vielen noch vorhanden war und die Netze nicht mehr zugänglich waren.

Ich hatte mehr erwartet und erfuhr auf der Tagung, dass es fast unmöglich ist, sich überhaupt ein Begriff von einer europäischen Identität zu machen. Viele Redner redeten davon das „Eine Verfassung für Europa“ elementar für jede weitere Entwicklung sei. Dem stimme ich zu, aber nicht mit diesem misslungenen Text. Es nervte ungemein, das wieder und wieder Propaganda für den vorliegenden Entwurf gemacht wurde. Es wurde zurecht in einer Wortmeldung aus dem Publikum angemerkt, dass das Scheitern des bisherigen Entwurfes von allen verstanden wurde, aber die politische Elite tut so, als wenn der unveränderte Verfassungstext weiterhin zur Abstimmung vorliegt. Es wurde das fast schon skurrile Argument vorgetragen, dass dieser Text nach sehr langen Verhandlungen und Kompromissen entstanden sei. Das ist die klassisch primitive Argumentation, weil wir bereits so viel investiert haben, ist es nicht mehr zu ändern (ähnlich auch in Gorleben verwendet, wo bisher mehr als eine Milliarde ausgegeben wurde).

Die haben es einfach nicht verstanden, dass zweitklassige Senioren der Politik definitiv nicht die Autoren einer Verfassung sein können. Eine Verfassung ist ein Text für die Ewigkeit geprägt aus den Erfahrungen der Vergangenheit und nicht ein Konvolut aktueller Zänkereien und Tendenzen. Die Würde einer Verfassung zeigt sich daran, dass sie nicht regelmäßig verändert werden muss. Der vorliegende Text erfordert ständige Anpassungen an die Realität.

Neben diesen durch Aktualität verunreinigten Passagen sind es vor allem die Anhänge und Erläuterungen, die ein wesentlicher Bestand der Verfassung sein sollen, die den Text unlesbar machen und viele Passagen zurücknehmen. Dem 448 Artikeln auf 190 Seiten (Ausgabe der EU) folgen 210 Seiten Protokolle und Anhänge und weitere 70 Seiten Erklärungen (sprich Einschränkungen) der nationalen Regierungen.
Macht eine echte Volksabstimmung über die vier Teile der Verfassung! Die Charta der Grundrechte der Union (Teil 2, Artikel 61-114) werden garantiert eine Zustimmung von mehr als 90 Prozent erhalten. Der Rest muss neu geschrieben werden.
Der Entwurf einer Verfassung regt mich wirklich auf, denn sowohl Artikel 3 (Ziele der Union) oder 41 (Sicherheits- und Verteidigungspolitik) zeigen, dass bürokratisches Denken die Formulierungen beeinflusste. Unnötige Inhalte (3, 41) und ein unlesbarer Wust (41) zeigen sich hier. Wenn ein Artikel mehr als eine Druckseite benötigt, dann ist er entweder unausgegoren oder wahrscheinlicher nicht für eine Verfassung geeignet.
Wie haben alle lernen müssen, Texte so weit zu verdichten, dass nur noch Leitgedanken übrig bleiben. Dies ist ein Beispiel für ein Scheitern auf hohem Niveau. Wenn ich der Auftraggeber gewesen wäre, hätte ich den Text nicht angenommen (Schulnote 6), da der Auftrag (Eine Verfassung) nicht erfüllt wurde.

Tagungen in Loccum sind immer wieder anregend!

Loccum - Europa 3

Sonntag, 19. Februar 2006
Zum Abschluß der Tagung widmete sich das Plenum der Zukunft mit dem Thema Europäische Kulturpolitik als Gestaltungsaufgabe

Prof. Dr. Olaf Schwencke (früher MdB und MdEP, Gründer der Kulturpolitischen Gesellschaft) sagte in seinem einleitenden Vortrag, dass die Globalisierung das Gegenteil von Gestaltung zeige. Die derzeitige Macht der Wirtschaft bestimmt alle Entscheidungen.
Prof. Schwencke fuhr unvermutet eine Attacke gegen die Bewerbung von Istanbul als europäische Kulturhauptstadt. Seit der Budapester Erklärung sollte jede Bewerbung zur Kulturhauptstadt sich mit aktuellen Problemen und innovativen Ausdrucksmitteln auseinandersetzen. Mit Entsetzen hätte er, der im Auswahlausschuß sitzt, realisiert, dass diese Debatte an den Verantwortlichen in Istanbul vorbeigegangen ist. Das Konzept sah ausschließlich Events vor, die mit Bildern aus 1001 Nacht, der bunten, modernen Welt einer Metropole und dem Nordwesten als Austauschregion zwischen der Türkei und seinen westlichen Nachbarn spielte und damit klassisches Städtemarketing zeigte. Seine vielleicht berechtigte Kritik wurde durch die Wortwahl „Orgie“, „Gutmenschen“ entwertet. Es war nicht klar, ob seine Empörung sich aus dem Konzept von Istanbul speiste oder aus einer allgemeinen Ablehnung von Istanbul als europäischer Stadt.

In eine ähnliche Kerbe schlug Doris Pack (MdEP der EVP/CDU) aus dem Saarland. Sie sei gegen Istanbul, da diese Stadt nicht in Europa liegt. Frustriert müsse sie aber feststellen, dass political correctness und die „Gutmenschen“ bereits dafür gesorgt haben, dass eine Entscheidung für Istanbul unausweichlich ist.
Sie verwies vor allem auf den zur Zeit nicht weiterverfolgten Prozess der Verfassungsratifizierung. Dort seien nach langen Debatten Formulierungen über Kultur, Bildung und Jugend aufgenommen, die ein Fortschritt sind. Europäische Identität ist ein altes Thema in der EU (bzw. seinen Vorläufern EWG und EG). Erste offizielle Diskussionen fanden bereits 1973 statt. Nachdem die Grundlagen des Binnenmarktes etabliert waren, kam die erste Identitätskrise auf, denn nun stellte sich die Frage nach dem weiteren Weg.

Der Generalbevollmächtigte und Geschäftsführer der Stiftung Neuhardenberg Bernd Kauffmann verwies auf zwei Probleme der europäischen Kulturförderung. Zum einen die EU-Bürokratie, die ihn dazu bewogen hat, keinen Antrag mehr zu stellen, der nicht mindestens ein Volumen von 50.000 Euro umfasst. Als zweites Problem nannte er die neuen EU-Länder. Es gibt keine gemeinsame Geschichte mit diesen Staaten auf der Ebene des Geschichtsbewußtseins. Seine Bemerkungen waren von einer unerträglichen elitären Arroganz geprägt.

Der Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen Dr. Kurt-Jürgen Maaß zeigte einen weiteren Weg für die europäische Kulturpolitik auf. Fast alle EU-Staaten unterhalten auswärtige Kulturinstitute (British Council, Goethe-Institut, etc.), aber es gibt nur sehr wenige Beispiele, in denen es Kooperationen zwischen diesen nationalen Instituten an einem Standort gibt.

In der folgenden Debatte wurde noch einmal auf die Deutsche EU-Präsidentschaft 2007 verwiesen. Hierfür wurde als ein Kulturprogramm vom Deutschen Städtetag ein Projekt zur Vielfalt in den Städten ausgeschrieben. 15, 25 oder 50 Städte sollten um Mittel für dieses Projekt konkurrieren und hiermit einen Beitrag zur europäischen Kultur leisten.

Loccum - Europa 2

Samstag, 18. Februar 2006
Der zweite Tag begann mit räumlich getrennten Foren zu Aspekten der kulturellen Integration Europas. Ich habe mit etwa 40 anderen Personen das Forum Europäische Öffentlichkeit zwischen Wunsch und Realität unter der Leitung von Dr. Helga Trüpel (MdEP, Grüne) besucht.

Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Ulrich K. Preuß von der Hertie School of Governance in Berlin begann seinen Vortrag mit dem Hinweis auf das sympathische Missverständnis, dass Kultur in Europa verbindend sei. Kultur sei eher von Dissoziation geprägt, da Religion in ihrer Ausprägung ein Teil der Kultur ist.
Wenn Öffentlichkeit als theoretisch-politische Kategorie betrachtet wird, dann ist dies prinzipiell Herrschaftskritik. Es geht um enlightment und den Wunsch nach einer gerechteren, verbesserten Regierung. Öffentlichkeit ist der Raum, in dem sich Herrschaft rechtfertigt. Auf Europa angewandt kommt ein Problem auf. EU-Normen treffen auf nationale Realitäten und Empfindlichkeiten, die zu öffentlichen Interessen führen und damit in einem Land Öffentlichkeit schaffen. Es gibt keine europäische Öffentlichkeit, denn die bisherigen Themen führten nicht zu Interessen in allen Ländern.

Der FAZ-Journalist Dr. Jürg Altwegg aus Genf, der von dort schweizer und französische Entwicklungen berichtet, sagte einleitend, dass aus der Forderung Kultur für Alle das flache Alles ist Kultur entstand. Die gute Seite ist, dass die Kultur im Feuilleton eine Debattenkultur geschaffen hat. Es gibt kein Bewußtsein für eine europäische Kultur. Die Angst vorm zwischenzeitlich sprichwörtlichen polnischen Klempner in Frankreich, steht die Ignoranz über französische Unternehmen (Medien) in Polen gegenüber. Der Wissensstand über andere Länder sinkt sogar, dies gilt auch für die unmittelbaren Nachbarländer. Er konstatiert auch ein schwindendes Bewußtsein unter den Intellektuellen für das Internationale. Debatten gehen nicht mehr über die Grenzen.

In der Diskussion wurden zwei Ziele bzw. Lösungsansätze formuliert. Zum einen meinte Prof. Preuß mit Ironie, dass ein pathologischer Befund als Ziel erreicht werden sollte. Es wird eine multiple Identität -in der Individualpsychologie Schizophrenie genannt- benötigt. Neben einer regionalen und nationalen Identität, sollte auch eine europäische Identität gepflegt werden. Als Lösungsansatz bietet sich eine bi-kulturelle Erziehung. Neben „seiner“ Kultur sollte jede Person eine weitere kennenlernen und dies meint nicht nur, dass er eine zweite Sprache beherrscht und theoretisch ein Land kennt, sondern sich damit real auseinandersetzt.

In der Mittagspause gab es die Gelegenheit, das Zisterzienser-Kloster Loccum (gestiftet 1163) zu besichtigen. Neben der bedeutenderen Abtei in Maulbronn (Hermann Hesse hat mit „Unterm Rad“ 1906 eines von vielen Denkmälern gesetzt) ist dies das einzige Zisterzienser-Kloster, in dem die verschiedenen Gebäude dieser ursprünglich geschlossenen Einheit erhalten sind.
Die interessante Führung wurde durch die Küsterin der Klosterkirche vorgenommen. Es war aber so viel Fachwissen anwesend, dass die zunächst nur positive Geschichte von Bernhard von Clairvaux, der das Modell der Zisterzienser massiv propagierte, um seine unrühmliche Rolle bei der mörderischen Verfolgung von abweichenden religiösen Meinungen ergänzt wurde.

Am Nachmittag gab es ein Podiumsgespräch zum Thema Europa als Kulturraum – Kulturpolitik für Europa.
Christa Prets (MdEP) berichtete aus der Förderung von Kulturprojekten durch die EU und verwies darauf, dass es zunehmend nationale Kulturräume gibt. Alle Förderungen zeigen im Ergebnis die Vielfalt von Kultur in Europa. Eine Aufgabe der Kulturpolitik ist es, daran zu erinnern, dass bereits etwa zwei Prozent aller Beschäftigten im Bereich cultural industries tätig ist. Dies sind neben den Künstler alle Erwerbstätigen im Umfeld von kulturellen Einrichtungen.

Der Vorsitzende des Kulturausschusses des Deutschen Städtetages und Bürgermeister von Görlitz Ulf Großmann verwies auf die Bedeutung grenzüberschreitender Kulturprojekte. Diese seien der Anker einer europäischen Kultur. Beispiele hierfür finden sich zum Beispiel im Norden des bottnischen Meerbusens zwischen Schweden und Finnland, in der Kooperation zwischen Coimbra (Portugal) und Salamanca (Spanien) und schließlich im Kulturraum Görlitz-Zgorzelec. Mit dem Dreiklang Sprachen – Erinnerungen – Visionen werden stets neue europäische Kulturräume geschaffen.

Der Generalsekretär der Europäischen Kulturstiftung (Amsterdam) Gottfried Wagner erinnerte daran, dass Europa die größte Dichte von kulturellen Ausprägungen hat. Dabei hätte aber bisher noch kein enlargement of mind stattgefunden. Europäische Kulturpolitik zeigt sich in einem Europa der Projekte. Wichtig für die nahe Zukunft sei das Jahr 2008, dass als Europajahr des interkulturellen Dialogs gefeiert werden soll.

Dr. Lutz Nitsche von der Kulturstiftung des Bundes berichtete aus seiner Arbeit der Förderung. Die Bundesstiftung fördert zum Beispiel Kulturprojekte im Kosovo, die Serben und Albaner zusammenbringen. Eine nationale Stiftung muss in Europa tätig sein.

Edda Rydzy vom Netzwerk Kulturstädte Europas fokussierte auf die deutsche Kulturhauptstadtsbewerbung für 2010. Sie war verantwortlich innerhalb eines Projektes, dass alle deutschen Bewerberstädte mit Bewerbern aus Ungarn zusammenführte. Diese Konkurrenz der Bewerberstädte mündete in die Budapester Erklärung für kommende Kulturhauptstädte. Ein Motto der Kulturprojekte bezieht sich auf die Vielfalt. Du unterscheidest dich und bereicherst mich damit.
Kultur und Politik sind schwer zusammenzufügen, denn ein Politiker wird nicht für seine Kulturförderung gewählt, aber Politiker kritisieren Künstler und ihre Lobbyisten nur selten, da diese professionelle Multiplikatoren für ihre Interessen sind.

Am Abend gab es einen Empfang mit Ansprachen, ein fantastisches Büfett und abschließend ein Orgelkonzert in der Klosterkirche mit Werken von Buxtehude, Rheinberger, Merkel, Mozart und Reger.

Mittwoch, Februar 22, 2006

Vogelgrippe - Influenzaviren: Keine Panik!

Die Wissenschaftsredaktion meiner Zeitung hat heute einmal in 17 Punkten alles wesentliche zum Thema zusammengefasst. Dem ist nur wenig hinzuzufügen.
Die Panikmache der großen Medien von Privat TV und Fischeinwickelpapier ist unappetitlich. Wie heißt auf dem Cover von h2g2 don't panic

Montag, Februar 20, 2006

Loccum - Europa 1

Was ist europäische Identität im Europa der Kulturen? Oder: Wozu brauchen wir europäische Kulturpolitik?

So lautete der Titel des dreitägigen Kolloquiums an der Evangelischen Akademie in Loccum. Die Veranstaltungen dort sind in der Regel offen und die Vorträge von den Podien und die Diskussionsbeiträge der Zuhörenden werden als Transkript veröffentlicht.
Aus diesem Grund nenne ich hier auch Namen, denn alles wird objektiver in diesem Jahr auch noch in gedruckter Form vorgelegt. Alles folgende ist meine subjektive Einschätzung und eine Rekonstruktion anhand meiner Notizen. Doch hier beginnt meine Nacherzählung. Ich werde jedem Tag einen Blogeintrag widmen und schließlich in einem vierten Teil meine zusammenfassende Einschätzung abgeben.

Freitag, 17. Februar 2006
Es haben sich Institutionen und Netzwerke herausgebildet, die auf der Ebene der EU oder sogar umfassender auf einer europäischen Ebene Kultur und speziell Kunst fördern. Viele dieser institutionellen Akteure waren prominent auf der Tagung in Loccum vertreten.

In den Einleitungen wurden sowohl vom Akademiedirektor Dr. Fritz Erich Anhelm als auch vom Präsidenten der mitveranstaltenden Kulturpolitischen Gesellschaft Dr. Oliver Scheytt darauf verwiesen, dass die Tagung einen Beitrag auf der Konzeptebene leisten sollte. Es sollte also nicht um die Prozessebene europäischer Kulturpolitik gehen, sondern es sollte eine Annäherung an ein Ziel solcher Politik versucht werden.

Der erste Ministerialdirektor beim Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung Dr. Knut Nevermann kritisierte in seinen einleitenden Vortrag den Begriff der Identität, da er in seiner kollektiven Ausprägung eine Abgrenzung vom Anderen/Fremden erfordert und damit einen Dialog erschwert. Europa und die Europäer (und ihre Kultur) sind aus der Fremde klar zu definieren. Intern definiert sich Europa über Werte, wie sie in der Grundrechtecharta niedergelegt wurden.
Der European Value Service und das Eurobarometer zeigen aber ein anderes Bild. Mit aktuellen Zahlen wurde gezeigt, dass christliche Tradition von den kulturellen und politischen Eliten als eine Grundlage angesehen werden, aber weniger als 20 Prozent der befragten Bevölkerung in der EU erklärten, dass Religion für sie persönlich eine Bedeutung hat oder Religion einen Einfluss auf ihre Meinung zu einzelnen Politikern hat. Signifikante Unterschiede gab es nur in den Ergebnissen der Beitrittsländer, in denen von ein Drittel bis zwei Drittel der Bevölkerung Religion eine Bedeutung beigemessen wird. Jo Leinen (MdEP) entgegnete hierauf, dass ähnlich abweichende Ergebnisse vom statistischen Durchschnitt vor 20 Jahren in Spanien oder vor 10 Jahren in Polen gemessen wurden. Nach einer Mitgliedschaft in der EU würde anderen Werten (Grundrechte!) innerhalb weniger Jahre eine größere Bedeutung als die Religion beigemessen.
Nevermann kritisierte vehement, dass Kulturpolitik vor allem Strukturen und viel zu wenig Künstler fördert. Abschließend verwies er auf die Etatverhandlungen für 2007-2013, in denen Kultur einen deutlich reduzierten Ansatz erhielt und weniger als 30 Millionen Euro pro Jahr für die gesamte EU27 (inklusive Bulgarien und Rumänien) beschlossen wurden.

Im ersten Podium wurde dann das Verhältnis von Identität und Interesse innerhalb von Europa sehr kontrovers debattiert. Der Historiker Prof. Dr. Jörn Rüsen vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen betonte, dass es eine kollektive Europäische Identität gibt. Er kritisierte aber die Darstellung einer Teleologie der europäischen Werte, denn die Entwicklung Europas sei nur durch eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Schatten (Kreuzzüge, Imperialismus, Antisemitismus) verständlich. Der reale Eurozentrismus führt nur zu einen traditionellen Universalismus, wie er in vielen Kulturen bekannt ist. Europäische Identität ist eine offene Identität, die von einer Anerkennung der Differenz lebt.
Der Politologe Prof. Jerzy Maćków von der Universität Regensburg hielt wenig von der Wertedebatte, denn je größer ein Kollektiv sei, dass eine Meinung zu einer Identität führen möchte, desto plumper sind die Ergebnisse. Es sei ein Mythos der Geschichte, dass es eine gemeinsame europäische Geschichte gebe, denn das gemeinsame sei das Ausgrenzen gewesen.
Er erinnerte daran, dass Identitäten auf der Ebene einer Nation stets konstruiert wurden. Während des großen wirtschaftlichen und sozialen Prozesses der ersten Modernisierung mit der Auflösung tradierter sozialer Bindungen (17.-19. Jahrhundert) wurde die Nation zu einer neuen Identifikationsebene genutzt. Die Konstruktion einer europäischen Identität kann nicht gelingen, da die aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen der Globalisierung nicht dieselbe Qualität haben.
Europa und speziell die EU hat in zwei Krisen gezeigt, dass es keine europäische Identität gibt. Die zwei Kriege auf dem Balkan werden immer noch nicht reflektiert und der Irakkrieg zeigte die Wiederbelebung extremen Nationalismus, der sich auf lange historische Kontinuität berief, obwohl diese nicht mehr existierten. Europa ist Einheit in Vielfalt innerhalb eines Rechtsstaates.
Die Thesen der Politologin Dr. Ulrike Guérot vom German Marshall Fund aus Berlin konzentrierten sich auf die möglichen Interessen der Europäer. Dem Prozeß gemeinsame Werte zu stabilisieren und dies innerhalb einer Verfassung zu ratifizieren, kommt dabei ihrer Meinung nach eine herausragende Bedeutung zu. Die EU sollte viel stärker geostrategisch argumentieren und agieren und nicht im bestehenden Altruismus verbleiben. Von der Einwohnerzahl und der Wirtschaftsmacht könnte die EU innerhalb der G8 oder des IMF viel deutlicher ihre Interessen artikulieren und durchsetzen. In der Außenwahrnehmung (vor allem der USA) gibt es ein Europa, dass sich zu einer Macht (Empire-Debatte) innerhalb einer multipolaren Welt (USA, EU, China, Indien) entwickelt. Die Rotation von Verantwortung führt jedes halbes Jahr zu neuen national geprägten Schwerpunkten, die eine kontinuierliche EU-Außenpolitik verhindern. Der weiter bestehende Nationalismus innerhalb der EU führt zu systematischen Problemen. Polemisch fragte sie, wofür Dänemark und andere Staaten zum Beispiel einen Außenminister brauchen. Abschließend wurden Puzzleteile einer europäischen Identität benannt. Europa ist demnach ein Prozeß und ein Projekt der Moderne; Europa ist universalistisch und möchte seine Werte verbreiten; Europa ist metaphorisch aber auch real, denn die Gravität seiner Existenz (Reisefreiheit, Währung) ist nicht zu unterschätzen.
Insbesondere der letzte Beitrag führte zu viel Polemik und zeigte damit wie sehr diese Thesen das Podium und die Zuhörenden aufgewühlt hatten. In der Debatte wurden einige Aussagen relativiert bzw. konkretisiert. Rüsen verweis darauf, dass die frühe Neuzeit viel europäischer war, als die Zeit des Nationalismus. Maćków sagte, dass erst eine Nation entstehen muss, bevor in einem zweiten Schritt der Nationalismus Richtung Europa überwunden wird. Er verwies auf die Beispiele mehrerer der neuen EU-Mitglieder und die Ukraine mit ihrer multiplen Identität und Belarus mit einer weitverbreiteten lokalen Identität. Guérot wurden von Rüsen darauf hingewiesen, dass Nationalismus immer aggressiv war und ihre Forderung nach einer europäischen Nation diese Gefahren ausblendet. Guérot entgegnete, dass die EU sie an das Wanderkönigtum unter Heinrich IV erinnert. Nur in dem Land der jeweiligen EU-Präsidentschaft findet eine intensive Auseinandersetzung mit europäischer Politik statt.

Der Tag wurde mit einem Plädoyer von Dr. Volker Hassemer, Senator a.D. von der Berliner Konferenz für europäische Kulturpolitik abgeschlossen.

Donnerstag, Februar 16, 2006

Influenza – Subtyp H5N1 nun auch in Deutschland

Nachdem bestätigt wurde, dass bei den toten Schwänen und dem Habicht auf der Insel Rügen in McPomm, der Influenza Virus Subtyp H5N1 gefunden wurde, gibt es Spekulation über den Übertragungsweg. Schwäne sind bisher nicht dafür bekannt, dass sie weite Flugstrecken zurücklegen. Der derzeitige Wissenstand über die Tierseuche H5N1 besagt auch, dass es 1-2 Tage nach Infektion zum Tod der Tiere kommen kann, also die Schwäne nur wenige 100 Kilometer zurückgelegt haben.
Ich möchte auf meine Ausführungen zum Influenzavirus im Januar verweisen. Es gibt zwei interessante Aspekte des Virus. Zum einen zeichnet sich der Virus durch seine vielen Punktmutationen von einer hohen Variabilität aus und zum anderen gibt es das Phänomen, dass der Virus innerhalb einer Art, aber auch zwischen Arten extreme Unterschiede in seinen Folgen zeigt. Während das Immunsystem einer Art mit dem Virus fertig wird, kann es für eine andere Art tödlich sein.
Der Virus wird insbesondere durch Ausscheidungen weiter gegeben. Mit den steigenden Temperaturen der letzten Tage verändert sich das Verhalten der wilden Vögel und der Wasserbewegungen in den Tümpeln und Seen. Der Virus kann sehr gut in feuchtkalter Atmosphäre überleben. Entsprechend kann der Virus bereits seit Wochen oder Monaten langsam zwischen den bei Rügen rastenden Wildvögeln zirkulieren. Die Wanderung hat noch nicht wieder eingesetzt, also wurde nichts neues von außen in diese Vogelgemeinschaften hineingetragen. Dieser Hypothese entspricht auch das Wissen, dass nicht alle Wildenten Krankheitssymptome bei einer Infektion mit H5N1 zeigen.

Noch ist eine Tierseuche, genauer gesagt eine Geflügelseuche. Und die Hauptgefahr geht nicht von Zugvögeln sondern von illegalen Tiertransporten aus. Bisher hatte ich die Hypothese aufgestellt, dass die erste Mensch-zu-Mensch-Infektion von H5N1 am Rande eines Staates erfolgen würde. In einem Gebiet, wo der Staat wenig Kontrolle ausübt und als Fremdkörper oder Feind verstanden wird (Grenzgebiet China-Vietnam oder Kurdistan), werden erkrankte Tiere am wahrscheinlichsten versteckt und erkrankte Menschen nicht isoliert.
Mir ist ein weiteres Gebiet geringer staatlicher Kontrolle aufgefallen. Wir haben in Deutschland 110 Millionen Tiere auf den Geflügel-Farmen (?), davon leben 72 Millionen in Niedersachsen und hiervon fast alle in den beiden Landkreisen Cloppenburg und Vechta. Es gibt zwar 3.800 staatliche Veterinäre, aber die können nur sehr punktuell eine Kontrolle vornehmen. Der Staat hat keinen realen Einfluß auf die Produktionsmethoden und Vertriebswege. Regelmäßig wird in den Medien berichtet, dass staatlichen Veterinäre einem hohen Korruptionsdruck unterliegen. Kritische Beamte finden sich schnell in Büros wieder, da sie die Produktion und damit die Arbeitsplätze in einem Landkreis gefährden.
Ich kann mir vorstellen, dass der Virus sich in diesem System massenhaft ausbreitet und damit Tausende von Menschen, die in dieser Industrie arbeiten, gefährdet. Die kriminelle Energie, die in der Fleischerzeugung und im Fleischvertrieb regelmäßig zu so genannten Fleischskandalen führt, zeigt, dass in dieser industriell organisierten Wirtschaft eher schwarze als weiße Schafe zu erwarten sind. Infiziertes und verseuchtes Fleisch findet stets einen Abnehmer und der Stand der digitalen Kopiertechnik plus einige Reisen über innereuropäische Grenzen sorgen dafür, dass alle Spuren, die zu den tatsächlichen Erzeuger zurückführen, verwischt sind. Zur Erinnerung:
  • Dioxin im Futter – bis zur Aufklärung waren fast alle Fleischprodukte verarbeitet, verkauft und gegessen.
  • Gammelfleisch – guten Appetit in einem Land, wo der Endverbraucher nur auf den Kilopreis achtet und deshalb merkwürdiges Fleisch ein wenig länger brät oder kocht.
  • BSE – Von der EU subventioniert aus Großbritannien an ihre ehemaligen Kolonien verkauft und verschenkt (Hungerhilfe der zynischen Art)

Karikaturen – Aufruhr - Theorien

Mit genügendem Abstand erscheinen endlich vermehrt intelligente Beiträge zur erregten Debatte um Karikaturen und Meinungsfreiheit. Der Soziologieprofessor Lars Qvortrup von der Universität Süddänemark in Odense versucht einen Blick hinter die Kampagnen zu werfen, in dem er Manuel Castells Theorie der globalen Netzwerkgesellschaft und Niklas Luhmanns Theorie der globalen Kommunikation auf ihre Anwendung auf diese Krise untersucht. Er bezweifelt, dass es ein globales Netzwerk gibt, da die epidemische Verbreitung von Informationen weiterhin die Ausnahme und nicht die Regel ist. Es benötigt interessierte Kräfte um Informationen aus einer Zeitung in Dänemark zu einer globalen Information aufzuwerten.
Um ihn zu zitieren: „..., es [gibt] keine direkte Verbindung zwischen den Karikaturen und den sozialen Unruhen in der muslimischen Welt. Sie lösten lediglich bereits existierende dynamische Kräfte aus.“ (taz 15. Februar 2006, S. 15)
Niklas Luhmann beschreibt die Welt als ein System von lose verbundenen Netzwerken. Jedes dieser Netzwerke funktioniert nach eigenen Mechanismen inklusive einer Selbstreflektion. Diese Netzwerke beeinflussen und stören sich gegenseitig, aber dieser Polyzentrismus führt nicht zum Chaos sondern zu einer dynamischen Selbststabilisierung.
Ich folge nicht den Konsequenzen, die Lars Qvertrup aus dieser Analyse zieht, auch wenn ich zustimme, das diese Episode einmal mehr vorführte, dass die politische und wirtschaftliche Elite daran erinnert werden sollte, dass ihre Kontrolle nur marginal ist.

Sonntag, Februar 12, 2006

Karikaturen über Karikaturisten

Meine Zeitung hat von einigen Tagen auf der Titelseite eine wunderbare Karikatur über diabolische Karikaturisten gezeigt. In der Samstagsausgabe war noch ein weiteres feineres Beispiel zum Thema zu sehen und zu belächeln.
Und wo ich gerade bei Strichzeichnungen bin, möchte ich unbedingt auf diesen gezeichneten Kommentar zur militärischen Tradition einer Wintersportart verweisen, die ausgiebig im deutschen Fernsehen gezeigt wird. Es ist schon seltsam, wenn Sniper zu bejubelten Helden werden.
„Unserer“ Team besteht, oh Wunder, aus Soldatinnen und Soldaten.

Donnerstag, Februar 09, 2006

Karikaturen - Fortsetzung

Ein Gedanke zu den Protesten wird nicht oft genug in den Medien genannt. Politische Systeme, die bedroht sind, haben große Interessen daran, dass "ihr Volk" seinen Unmut an Themen ohne klaren Zusammenhang zur Innenpolitik abarbeitet. Im Extremfall zieht ein Land in den Krieg, um von innenpolitischen Krisen abzulenken.
Beispiele:
-Syrien ist eine Diktatur, die innenpolitisch gefährdet ist, da eine arabisch-muslimische Mehrheit alle anderen Gruppen (Kurden, Christen, etc.) gewaltsam unterdrückt.
-Iran (hier sind wohl keine Details notwendig)
-Saudi Arabien, Yemen, Ägypten, etc. (alle Regime sind auf der Regierungsebene Partner der USA, diktatorisch bis undemokratisch und von regelmäßigen Protesten gegen die Regierung erschüttert)
-Pakistan (Militärdiktatur)
-Afghanistan (Illusion eines Staates; der Präsident beherrscht vielleicht die Hauptstadt und einige, wenige Regionen; der Rest ist unter Militärverwaltung entweder eines Warlords oder der US Armee)
Es ist also nicht ungewöhnlich, dass gerade aus diesen Staaten (Libanon ist immer noch eine syrische Kolonie!) vehemente Proteste gegen die Karikaturen und die westliche kulturelle Arroganz zu finden sind.

Wie Ablenkung funktioniert, ist wunderbar in der Satire "Wag the Dog" (Barry Levinson 1997) zu sehen.

Sonntag, Februar 05, 2006

Table-Quiz im Café K - Schlechte, alte Witze

Das Table-Quiz am Samstag war ein Erfolg.
Nein, es langte wieder mal nicht zu einem Preisrang. Wie war das noch: Gold – Silber – Bronze – Blech und dann ... Holz. Wir platzierten uns als fünftes von zwölf Teams.
Der Erfolg war, dass wir vier als Team und alle anderen im Café K vier Stunden lang sehr viel Spaß hatten.

Alleine die erste angekündigte Fragekategorie war mir ein Rätsel. „Beenden Sie diesen schlechten alten Witz“. Peter Düker erzählte also zehn unvollständige Witze und die jeweilige Pointe sollte erraten werden. Da dies nicht einfach war, wurde sogar die jeweilige Silbenzahl vorgegeben.
Es gibt Menschen, die Witze erzählen können und Menschen, die diese zumindest mit einigen Humor noch nacherzählen können. Wenn kann ich das eine noch das andere. Ich lache herzlich über gelungene Witze. Peter Düker kann Witze erzählen und machte nun welche über Kannibalen, Blondinen, Doktoren, Jesus (!), Manta-Fahrer und natürlich auch einen Schlüpfrigen.
Ein Beispiel? „Wie nennt man einen Mann, der 90 Prozent seiner Denkfähigkeit verloren hat?“ (Antwort 2 Silben; Lösung siehe unten).
Wir hatten eine Witzeerzählerin im Team und machten erstaunliche 7 von 10 Punkten.

Die zweite Kategorie kam vermutlich bereits zum dritten Mal zum Einsatz und ist eine Herzens- (bzw. Magens-) Angelegenheit des Wirtes Ralf: Essen und Trinken.
Was zeichnet Earl Grey aus, was ist Haggis, eine Kaltmamsell, Homogenisierung , Topfenkuchen, Guter Heinrich und welche Rebsorte wird für Prosecco verwendet? Wieder 7 von 10.

Nicht für die Schule, für das Table-Quiz lernen wir. Details der so genannten Allgemeinbildung wurden abgefragt. Maßeinheit für Luftdruck? Was heißt Brontosaurus auf Deutsch? Wer schrieb „Die Weber“? Supraleiter, O’Hare, Bellfried, Protozoen. Wieder 7 von 10 und jetzt waren wir im Zwischenergebnis auf Platz 3!

Die Zufallsfunde aus den Medien der letzten zwei Wochen, die jeweils im letzten Block abgefragt werden, ließen uns mal wieder abstürzen. Ich habe hier viel über die Mohammed-Karikaturen geschrieben, aber wußte dann nicht, wie die dänische Tageszeitung heißt, in der im letzten Jahre diese Kampagne startete? Woher stammt der Name Nylon? Oder wie heißt die neue Single von Mel C, deren Video in Hannover gedreht wurde?
Bei einer Frage gab es einen erzürnten Kommentar von einer Frau aus unserm Team. Warum sind jedes Mal Männerfragen aus dem Bereich von Technik oder Fussball dabei? Dies wurde bestritten und bemerkt, dass es so etwa im 21. Jahrhundert nicht mehr gibt. Jedoch war Gendermainstreaming als Begriff und Prozess unbekannt.

Ralf hat im Café K neue Tapas im Angebot und die mit dem Krebsfleisch schmecken besonders gut.

Die Antwort auf die Scherzfrage lautete: Witwer.
Unsere Antwort Eunuch wurde auch gewertet.

- - - - -
Eine Link-Liste zu allen Beiträgen zum Table-Quiz im Café K in umgekehrt chronologischer Reihenfolge:

Doitschland und Islamphobie

Sonntag, 5. Februar 2006 0:30 in der U-Bahnlinie 7 zwischen Hauptbahnhof und Lister Platz.
Ein betrunkener Mann ist mit einem Kumpel eingestiegen und der Mann erzählt mit dröhnenden Stimme von seiner Einschätzung der Personen am Nachbartisch in der gerade verlassenen Kneipe. „Das waren Verbrecher, so etwas sehe ich sofort.“
Die Entgegnungen seines Kumpels sind nicht zu verstehen. Plötzlich gibt es einen Themenwechsel und der Mann fängt an zu schimpfen. „Wir Deutschen, ...“. Ich will nicht mehr hinhören. Das sind diese Menschen, wo mir die Begriffe „deutsch“, „Deutschland“, „Nation“ nur noch Ekel erzeugen. Mit Betrunkenen ist nicht zu argumentieren und so wären Widerworte vor allem eine Einladung zum Streit und mehr.
Plötzlich beginnt er auf Muslime zu schimpfen und spricht von „deren Unsinn im Koran“ und das die (und dies klingt sehr angewidert) „beim Gebet den Boden küssen“. Der Mann beschallt den ganzen U-Bahnwaggon und ein Muslim widerspricht ihn und weist ihn verbal in seine Schranken. Ein erstes Rempeln erfolgt.
Die U-Bahn läuft in die Station Lister Platz ein. Die beiden Betrunkenen verlassen hinter mir schimpfend den Waggon und verhindern damit vermutlich eine Schlägerei. Während ich die Station verlasse höre ich hinter mir wieder die dröhnende Stimme mit seinem „Deutschland“ und „wir Deutschen“.

Ein ungewöhnliches Ende eines Abends mit Table-Quiz im Café K. Doch hierzu folgt noch mehr.

Freitag, Februar 03, 2006

Satire: ... und die Spirale dreht sich weiter

Die französische Boulevardzeitung France Soir druckte am Mittwoch die dänischen Mohammed-Karikaturen nach und setzte auf die Titelseite eine weitere Karikatur, die vier göttliche Wesen zeigt, in welcher ein christlicher Gott zum Propheten Mohammed sagt „Râle pas, Mahomet ... on a TOUS été caricaturés, ici (Beklag dich nicht, Mohammed, wir wurden ALLE hier karikiert)“. Unmittelbare Reaktion war die fristlose Entlassung des Chefredakteurs.
Unsere liberale Wochenzeitung „Die Zeit“ hinterfragt aktuell den Beginn des so genannten Skandal um die Karikaturen in der rechtsgerichteten dänischen Tageszeitung. Deren ideologischen Hintergrund aus einer Mischung von Nationalismus, Xenophobie und rassistischem Dünkel gegenüber nicht christlichen Religionen führten zu den Zeichnungen. Der Ansatz des Chefredakteurs war, zu prüfen, wie weit geschmäht werden kann, bis es zu einem Aufschrei sowohl der muslimischen Minderheit (3 Prozent der Bevölkerung in Dänemark), als auch der geschrumpften liberalen Öffentlichkeit kommt. Nun die Grenzen sind erfolgreich überschritten und der Chefredakteur macht seitdem vermutlich jeden Tag einen Freudentanz hinter verschlossen Türen. Sein Ansatz ging voll auf.

In meiner Zeitung, gibt es zum Thema einen weiteren Brennpunkt mit einem Kommentar auf der Titelseite, einem wichtigen Zwischenruf von Hilal Sezgin, der Bericht über die France Soir und einer Reportage des Skandinavienkorrespondenten Reinhard Wolff aus Kopenhagen. Ein muslimischer Däne sagte ihm, dass sehr offensichtlich die Absicht der Zeitung zu erkennen ist: „Damit wollen wir euch kränken und es ist uns scheißegal, was ihr denkt!“ Bemerkenswert ist auch sein Kommentar zum Nachdruck der Karikaturen in diversen europäischen Zeitungen unter dem Titel Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit: „Wenn einer sich auf den Marktplatz stellt und auf die Bibel pinkelt, mag er das Recht dazu haben. Aber deshalb muss ich mich nicht daneben stellen und auch darauf pinkeln."
Der Chefredakteur der dänischen Tageszeitung hat eigentlich einen ähnlicher Ansatz, wie die Satire, wo im monatlichen Satiremagazin Titanic stets aufs Neue, die Grenzen des guten Geschmacks strapaziert werden, um sich auch über Personen und Institutionen lustig zu machen, die auf herkömmlichen Spott und Satire nicht reagieren. Aber es geht ja nicht um Satire, sondern um eine Forcierung eines Konfliktes, den Versuch Menschen zu zwingen, sich zu beschränkten Positionen zu äußern und damit die Politik zu einer Reaktion zu zwingen.

Ein gelungenes Beispiel von Satire war die Erfindung der Birne als Synonym für Helmut Kohl im Jahre 1982 durch Redakteure der Titanic. Die satte, bürgerliche Selbstzufriedenheit des Pfälzers ließ alle ironische Kritik an ihm abprallen. Es ist die Schaffung der zum Teil infantilen Birne, die endlich neben der Realsatire in der Wortwahl und Aussprache der Reden dieses Mannes zu lauten Lachern führten. Und dies ist eines der vornehmsten Pflichten des aufgeklärten Bürgers, die Elite auszulachen, wenn sie dümmlich wird.

Die Aufklärung ist keine historische Phase, sondern ein kontinuierlicher Prozess.

Donnerstag, Februar 02, 2006

Was darf Satire?

Alles!

Es wird zur Zeit ein internationaler Medienskandal inszeniert. In einer nationalistischen dänischen Tageszeitung, die für ihre rassistischen Artikel berüchtigt ist und damit eigentlich nur den Mainstream der dänischen Politik widerspiegelt und forciert erschien eine Sammlung von Karikaturen über den Propheten Mohammed. In unserer schnellen, digitalisierten Welt dauerte es einige Wochen bis diese Zeichnungen auch in den muslimisch-orthodoxen Staaten und bei den dortigen Eliten bekannt wurden. Nun tauchen Forderungen nach Entschuldigungen und Boykott von dänischen Produkten auf.

Diese Debatten über Blasphemie tauchen immer wieder auf. Ich erinnere mich an die gewalttätigen Demonstrationen gegen Martin Scorceces Film „Last Temptation of Jesus Christ“ (1989) in den USA und in Frankreich oder die Fatwa gegen Salman Rushdie (1988), die zu mehreren Morden gegen Übersetzer und Verleger führten und schließlich die Todesdrohungen gegen einen taz-Redakteur nach einem Text auf der ausgewiesenen Satireseite „Die Wahrheit“.

Strenggläubige Menschen haben offensichtlich ein Problem in unserer säkularisierten Welt, in der jede Meinung universell bekannt werden kann. Der österreichische Intellektuelle Robert Misik fasst viele dieser Aufregungen und die Reaktionen von militanten Liberalen (!) heute in einem Artikel pointiert zusammen. Es ist heute eines der Brennpunktthemen in der taz, und entsprechend finden sich hierzu auch noch ein Interview mit dem Deutschlandkorrespondenten von al-Dschasira in Berlin Aktham Suliman, ein Kommentar der Chefredakteurin Bascha Mika und eine Karikatur von Tilman Mette.

Der Glaube ist eine Privatsache, auch wenn viele Religionen eine Pflicht zur Mission als ein Teil des jeweiligen Glaubensverständnisses formuliert haben. Erst wenn persönliche Beleidigungen und rassistische Herabwürdigung als Satire bezeichnet werden, ist eine schwammige Grenze überschritten und die berechtigte Frage zu stellen, ob dies noch Satire ist.