Sonntag, 19. Februar 2006
Zum Abschluß der Tagung widmete sich das Plenum der Zukunft mit dem Thema Europäische Kulturpolitik als Gestaltungsaufgabe
Prof. Dr. Olaf Schwencke (früher MdB und MdEP, Gründer der Kulturpolitischen Gesellschaft) sagte in seinem einleitenden Vortrag, dass die Globalisierung das Gegenteil von Gestaltung zeige. Die derzeitige Macht der Wirtschaft bestimmt alle Entscheidungen.
Prof. Schwencke fuhr unvermutet eine Attacke gegen die Bewerbung von Istanbul als europäische Kulturhauptstadt. Seit der Budapester Erklärung sollte jede Bewerbung zur Kulturhauptstadt sich mit aktuellen Problemen und innovativen Ausdrucksmitteln auseinandersetzen. Mit Entsetzen hätte er, der im Auswahlausschuß sitzt, realisiert, dass diese Debatte an den Verantwortlichen in Istanbul vorbeigegangen ist. Das Konzept sah ausschließlich Events vor, die mit Bildern aus 1001 Nacht, der bunten, modernen Welt einer Metropole und dem Nordwesten als Austauschregion zwischen der Türkei und seinen westlichen Nachbarn spielte und damit klassisches Städtemarketing zeigte. Seine vielleicht berechtigte Kritik wurde durch die Wortwahl „Orgie“, „Gutmenschen“ entwertet. Es war nicht klar, ob seine Empörung sich aus dem Konzept von Istanbul speiste oder aus einer allgemeinen Ablehnung von Istanbul als europäischer Stadt.
In eine ähnliche Kerbe schlug Doris Pack (MdEP der EVP/CDU) aus dem Saarland. Sie sei gegen Istanbul, da diese Stadt nicht in Europa liegt. Frustriert müsse sie aber feststellen, dass political correctness und die „Gutmenschen“ bereits dafür gesorgt haben, dass eine Entscheidung für Istanbul unausweichlich ist.
Sie verwies vor allem auf den zur Zeit nicht weiterverfolgten Prozess der Verfassungsratifizierung. Dort seien nach langen Debatten Formulierungen über Kultur, Bildung und Jugend aufgenommen, die ein Fortschritt sind. Europäische Identität ist ein altes Thema in der EU (bzw. seinen Vorläufern EWG und EG). Erste offizielle Diskussionen fanden bereits 1973 statt. Nachdem die Grundlagen des Binnenmarktes etabliert waren, kam die erste Identitätskrise auf, denn nun stellte sich die Frage nach dem weiteren Weg.
Der Generalbevollmächtigte und Geschäftsführer der Stiftung Neuhardenberg Bernd Kauffmann verwies auf zwei Probleme der europäischen Kulturförderung. Zum einen die EU-Bürokratie, die ihn dazu bewogen hat, keinen Antrag mehr zu stellen, der nicht mindestens ein Volumen von 50.000 Euro umfasst. Als zweites Problem nannte er die neuen EU-Länder. Es gibt keine gemeinsame Geschichte mit diesen Staaten auf der Ebene des Geschichtsbewußtseins. Seine Bemerkungen waren von einer unerträglichen elitären Arroganz geprägt.
Der Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen Dr. Kurt-Jürgen Maaß zeigte einen weiteren Weg für die europäische Kulturpolitik auf. Fast alle EU-Staaten unterhalten auswärtige Kulturinstitute (British Council, Goethe-Institut, etc.), aber es gibt nur sehr wenige Beispiele, in denen es Kooperationen zwischen diesen nationalen Instituten an einem Standort gibt.
In der folgenden Debatte wurde noch einmal auf die Deutsche EU-Präsidentschaft 2007 verwiesen. Hierfür wurde als ein Kulturprogramm vom Deutschen Städtetag ein Projekt zur Vielfalt in den Städten ausgeschrieben. 15, 25 oder 50 Städte sollten um Mittel für dieses Projekt konkurrieren und hiermit einen Beitrag zur europäischen Kultur leisten.
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