Dienstag, Juni 22, 2010

Steinmeier soll endlich zurücktreten

[Blog-Archiv: 24. Januar 2007 / Die Verknüpfungen sind zum Teil nicht mehr gültig]

Wir haben einmal mehr einen moralischen Skandal in Deutschland!
Der deutsche Außenminister
Frank-Walter Steinmeier war von Juli 1999 bis November 2005 wichtigster Vertrauter des Bundeskanzlers als Kanzleramtsminister der Rot-Grünen Bundesregierung. Damit war er verantwortlich für die drei deutschen Geheimdienste mit dem Titel Beauftragter der Nachrichtendienste. Er nahm persönlich als ständiger Vertreter von BK Schröder an den regelmäßigen Sitzungen der für Sicherheit zuständigen Spitzen aus dem Innenministerium, dem Außenministerium und der Geheimdienste teil.
Steinmeier, der damalige Geheimdienstkoordinator
Ernst Uhrlau (heute Präsident des Bundesnachrichtendienst, BND) und der damalige BND-Präsident August Hanning (heute Staatssekretär im Bundesinnenministerium, BMI) verhinderten im Oktober 2002, dass Murat Kurnaz, der im US-Speziallager in Guantanamo unter Menschen unwürdigen Bedingungen festgehalten wurde und dessen Freilassung von den USA angeboten wurde, in seinen Heimatort Bremen zurückkehren konnte. Ein Unschuldiger musste deshalb weitere dreieinhalb Jahre (mehr als 1.000 endlose Tage in den Käfigen) wie ein Tier vegetieren. Wer Fotos von Murat Kurnaz sieht, mag zunächst gar nicht glauben, dass dieser Mann demnächst erst 25 Jahre alt wird.
Erst die neue Bundesregierung kümmerte sich um die Freilassung und im August 2006 wurde er schließlich freigelassen.

Ende 2001 wurde in Pakistan der in Bremen geborene und aufgewachsene junge Muslim Murat Kurnaz (formal war er ein Türke wegen unseres damaligen „Blut und Boden“-Staatsangehörigkeitsrecht) an einer Straßensperre aus einem Überlandbus heraus verhaftet. Er war einer von Millionen junger Menschen auf der Suche nach spirituellen Zielen für sein Leben. Nun war er am falschen Ort zur falschen Zeit.
Die USA hatte ein Kopfgeld für Verdächtige ausgesetzt und Kurnaz wurde von den pakistanischen Sicherheitskräften an US-Truppen verkauft. Er wurde in ein Militärlager in Afghanistan überstellt und dort von US-Kräften und unserem deutschen
Kommando Spezialkräfte, KSK gefoltert. Die Sicherheitskräfte nennen dies „forced interrogation“, da „torture“ nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (Artikel 5) geächtet ist. Es erfolgte die Überstellung in das Folterlager Guantanamo, wo nach etwas mehr als einem halben Jahr Folter und Befragungen durch US-amerikanische, deutsche und türkische Sicherheitskräfte allen klar war, dass dieser junge Mann völlig zu Unrecht verhaftet wurde.

Und hier beginnt der Skandal des Frank-Walter Steinmeier. Nicht nur haben er und die anderen Vertreter in der Sicherheitsrunde entschieden, dass das Angebot einer Freilassung durch die USA nicht angenommen wird, sondern sie hintertrieben in den Folgejahren auch jeden weiteren Versuch der Freilassung eines Unschuldigen.
In dieser Runde im Kanzleramt wurde ein perfider Plan entwickelt, wie eine Einreise von Murat Kurnaz nach Deutschland verhindert werden kann. In einem ersten Schritt sollte die Aufenthaltserlaubnis des türkischen Staatsbürgers Murat Kurnaz für erloschen erklärt werden, da er sich seit mehr als einem halben Jahr im Ausland befindet. Zweites sollte die Schuld daran auf seinen Bremer Anwalt zurückfallen, weil er versäumte die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Schließlich sollte sich die deutsche Botschaft in den USA darum bemühen, den türkischen Pass zu bekommen und die Seite mit der Aufenthaltserlaubnis vernichten.
Woher mal all diese Details weiß, nun wir sind ja Deutsche und alles wird aufgeschrieben und archiviert und nun tauchen einzelne Dokumente aus dem Kanzleramt auf. Auszüge aus einem Bericht mit dem Vermerk VS – Nur für den Dienstgebrauch wurden heute in der taz veröffentlicht. Diese weisen ausdrücklich den Herren Steinmeier, Uhrlau und Hanning die Verantwortung für das Leiden von Murat Kurnaz zu.

Von einem Menschen mit Anstand würde ich erwarten, dass er nach solchen schweren moralischen Fehltritten zurücktritt. Doch da unterliegt mir vielleicht ein Denkfehler. Ich habe hier schon mit viel Wut über Spitzel aus den
USA und Deutschland räsoniert. Mitarbeiter von Geheimdiensten (vulgo Spitzel) lassen die Charaktereigenschaft Anstand vermissen. Warum sollte ich von der Spitze und den Aufsehern dieser Berufsgruppe erwarten, dass sie anders handeln, als ihre Untergebenen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und der Staatssekretär im Bundesinnenministerium August Hanning müssen endlich zurücktreten. Wer sich in das schw/mierige Geschäft der Geheimdienste begibt, sollte danach nie wieder eine öffentliche Position bekleiden. Uhrlau blieb dort, wo er seit 1981 tätig ist, im Milieu der Geheimdienste. Dort lernt man zwar das Lügen und Vertuschen, dies sollte aber nicht die Grundlage der Diplomatie und generell der Politik sein.

Zum Abschluss die Zitate aus dem ehemals vertraulichen Bericht der Großen Koalition vom 23. Februar 2006 "Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg und der Bekämpfung des internationalen Terrorismus"
29. Oktober 2002 "Besprechung BKAmt: BND plädiert hinsichtlich Nachfrage der USA, ob M. K. nach DEU oder in die TUR abgeschoben werden solle, für Abschiebung in die TUR und Einreisesperre für DEU. AL6/BKAmt und StS BMI teilen die Auffassung."
und
9. November 2002 "Internes Schreiben BND: Entscheidung der Bundesregierung, wonach M. K. nicht nach DEU abgeschoben werden solle, stoße bei US-Seite auf Unverständnis. Freilassung sei wegen seiner nicht feststellbaren Schuld sowie als Zeichen der guten Zusammenarbeit mit den DEU Behörden geplant gewesen."
(Quelle für beide Zitate,
taz vom 24. Januar 2007)
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Die tageszeitung, taz aus Berlin hat diesem Thema in den letzten Tagen viele Seiten gewidmet:

  • Jens König am 24. Januar "Angebot und Nachfrage. Steinmeier kennt kein Angebot? Er erklärt nicht, warum in Regierungsdokumenten von einem US-Angebot zur Freilassung von Kurnaz die Rede ist"
  • Lukas Wallraff am 23. Januar "Außenminister in Fesseln. Frank-Walter Steinmeier will sich nur im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Fall Kurnaz äußern"
  • Dilek Zaptcioglu am 23. Januar "Auch von den Türken kam keine Unterstützung"
  • Jens König am 22. Januar "Steinmeier spielt den Aufklärer. Plötzlich hat es der Außenminister ganz eilig. In Sachen Murat Kurnaz will er im Untersuchungsausschuss "rasch das Notwendige klarstellen"
  • Redaktion am 22. Januar "Chronik des Hinhaltens. Rot-Grün verhinderte frühe Rückkehr von Kurnaz"

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