Die französische Boulevardzeitung France Soir druckte am Mittwoch die dänischen Mohammed-Karikaturen nach und setzte auf die Titelseite eine weitere Karikatur, die vier göttliche Wesen zeigt, in welcher ein christlicher Gott zum Propheten Mohammed sagt „Râle pas, Mahomet ... on a TOUS été caricaturés, ici (Beklag dich nicht, Mohammed, wir wurden ALLE hier karikiert)“. Unmittelbare Reaktion war die fristlose Entlassung des Chefredakteurs.
Unsere liberale Wochenzeitung „Die Zeit“ hinterfragt aktuell den Beginn des so genannten Skandal um die Karikaturen in der rechtsgerichteten dänischen Tageszeitung. Deren ideologischen Hintergrund aus einer Mischung von Nationalismus, Xenophobie und rassistischem Dünkel gegenüber nicht christlichen Religionen führten zu den Zeichnungen. Der Ansatz des Chefredakteurs war, zu prüfen, wie weit geschmäht werden kann, bis es zu einem Aufschrei sowohl der muslimischen Minderheit (3 Prozent der Bevölkerung in Dänemark), als auch der geschrumpften liberalen Öffentlichkeit kommt. Nun die Grenzen sind erfolgreich überschritten und der Chefredakteur macht seitdem vermutlich jeden Tag einen Freudentanz hinter verschlossen Türen. Sein Ansatz ging voll auf.
In meiner Zeitung, gibt es zum Thema einen weiteren Brennpunkt mit einem Kommentar auf der Titelseite, einem wichtigen Zwischenruf von Hilal Sezgin, der Bericht über die France Soir und einer Reportage des Skandinavienkorrespondenten Reinhard Wolff aus Kopenhagen. Ein muslimischer Däne sagte ihm, dass sehr offensichtlich die Absicht der Zeitung zu erkennen ist: „Damit wollen wir euch kränken und es ist uns scheißegal, was ihr denkt!“ Bemerkenswert ist auch sein Kommentar zum Nachdruck der Karikaturen in diversen europäischen Zeitungen unter dem Titel Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit: „Wenn einer sich auf den Marktplatz stellt und auf die Bibel pinkelt, mag er das Recht dazu haben. Aber deshalb muss ich mich nicht daneben stellen und auch darauf pinkeln."
Der Chefredakteur der dänischen Tageszeitung hat eigentlich einen ähnlicher Ansatz, wie die Satire, wo im monatlichen Satiremagazin Titanic stets aufs Neue, die Grenzen des guten Geschmacks strapaziert werden, um sich auch über Personen und Institutionen lustig zu machen, die auf herkömmlichen Spott und Satire nicht reagieren. Aber es geht ja nicht um Satire, sondern um eine Forcierung eines Konfliktes, den Versuch Menschen zu zwingen, sich zu beschränkten Positionen zu äußern und damit die Politik zu einer Reaktion zu zwingen.
Ein gelungenes Beispiel von Satire war die Erfindung der Birne als Synonym für Helmut Kohl im Jahre 1982 durch Redakteure der Titanic. Die satte, bürgerliche Selbstzufriedenheit des Pfälzers ließ alle ironische Kritik an ihm abprallen. Es ist die Schaffung der zum Teil infantilen Birne, die endlich neben der Realsatire in der Wortwahl und Aussprache der Reden dieses Mannes zu lauten Lachern führten. Und dies ist eines der vornehmsten Pflichten des aufgeklärten Bürgers, die Elite auszulachen, wenn sie dümmlich wird.
Die Aufklärung ist keine historische Phase, sondern ein kontinuierlicher Prozess.
3 Kommentare:
Tja..eigentlich kann ich es nicht glauben, das der Abdruck der Karikaturen zu Bombendrohungen führt und Millionen Moslems auf die Strassen treibt...warum demonstrieren sie nicht mal gegen den Terrorismus??? ich vermute mal, es soll von anderen Problemen abgelenkt werden, und jeder der ein bischen Verstand hat, weiss das es sich um Satire handelt, wenn man das ganze weiterspinnt, müssten X verschiedene Zeitungen ebenfalls Bombendrohungen bekommen , da in so mancher Zeitung auch gotteslästerliche Comics/ Satire abgedruckt wird, es aber *richtig* verstanden wird. trotzdem stellt sich für mich die Frage warum die französische Zeitung das nochmal drucken musste..Fragen über Fragen und vor allem die Frage wo das alles noch hinführen soll
Hier ist meine Stellungnahme über die Affäre - eigentlich wollte ich es als Kommentar hier einsetzen, aber es ist zu lang.
In einem Interview zu seinem aktuellen Roman über einen afghanischen Terroristen verwies Salman Rushdie auf einen fundamentalen Unterschied in der Weltsicht von muslimisch und christlich geprägten Menschen. Ich habe ihn wie folgt verstanden:
Eine Erziehung in einem christlich geprägten Umfeld verinnerlicht die Kategorien von Gnade und Verzeichen, ein Konzept, dass im Islam nicht bekannt ist. Dort und in den traditionellen Gesellschaften der vorislamischen Welt gibt es die Kategorien Schande und Ehre, die wiederum in einer christlichen Welt in dieser Qualität nicht bekannt sind.
Rushdie meinte deshalb, dass wenn eine Aktion als Schändung angesehen wird, dass dies zu fundamentalen nicht verständlichen Reaktionen führen kann.
Ich gebe Rushdie nur in meinen Worten wieder (und werde mal suchen, ob das Interview irgendwo zu finden ist), es klang für mich einleuchtend.
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