Freitag, Februar 26, 2010

Reisepavillon in Hannover

(Archiv 02.02.2007)

Damals, im vorherigen Jahrhundert war ich zuletzt auf dieser Messe für anderes Reisen. Diese mehrtägige Veranstaltung fand im namengebenden Kulturzentrum Pavillon statt. Seitdem wurden immer mehr Reiseangebote mit den zum Teil austauschbaren Labels alternativ, ökologisch, anders, sanft, nachhaltig, grün, etc. versehen. Konsequenz dieses Erfolgs war der Umzug auf das Messegelände, wo in diesem Jahr in der Europahalle (Nr. 2) mehr als 300 Aussteller ihre Angebote und Informationen präsentieren.

Wenn meine Zeitung für ihre regionalen Genossenschaftler keine Tageskarte spendiert hätte, wäre ich wohl auch in diesem Jahr nicht zum kalten Messegelände gefahren. So konnte ich überprüfen, was mit dem Schwerpunkt Faszination Afrika gemeint ist.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (bis letztes Jahr Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen als Direktor des Umweltprogrammes UNEP in Nairobi, Kenya) war als Schirmherr gewonnen und einer der Eröffnungsredner. Als Vertreterin der Organisatoren leitete Anke Biedenkapp von Stattreisen Hannover die Eröffnung ein. Die Reisewirtschaft hat eine Phrasologie entwickelt, die mich schmunzeln ließ. So wird zum Beispiel statt Reiseziel konsequent von Destination gesprochen. Unsere Bischöfin Margot Käßmann erläuterte dann, warum die Evangelische Kirche selbstverständlich auf so einer Messe präsent ist und die gesamte Veranstaltung unterstützt. Die Kirche hat in den letzten Jahrzehnten immer weiter an Bedeutung für die meisten Menschen verloren. Damit die Kirche nicht am Rande ist, bemüht sie sich Kirche als Gelegenheit zu bieten und religiöse Stätten an den Verkehrsknotenpunkten zu unterhalten und Angebote für wichtige Reiseziele zu machen. Sanfter Tourismus sollte stets eine Annäherung an die Menschen und ihre Kultur im Urlaub umfassen. Außerhalb der Hotelwirklichkeit liegt DIE Wirklichkeit. Wie moderner Fremdenverkehr statt dessen stattfindet, erinnerte sie, ist am Rande des Filmes Babel zu sehen, wo eine Gruppe von US-Touristen, die aus einem Reisebus in Marokko die Realität oder das was sie dafür halten beständig Photographieren und Filmen, aber große Angst davor haben, in einem marokkanischen Dorf ihre kleine Buswelt zu verlassen.

Prof. Töpfer verwies in seinem Grußwort auf die giftigste Substanz der Welt, die Armut. Aus seiner langjährigen Erfahrung in Nairobi verwies er darauf, dass Tourismus zu erheblichen Einnahmen für die Menschen in den Reisezielen führen kann. Die Betonung liegt auf kann. Denn in einer Studie der UN zum Fremdenverkehr in Afrika wurde festgestellt, dass von €100, die ein Reisenden im Norden der Welt für seine Reise zu einem afrikanischen Ziel ausgibt, nur €12 im Zielgebiet ankommen. Dieser Anteil muss sich steigern. Es ist auch in Kenya üblich, dass in den Hotels die bekannten kleinen Portionspackungen für Butter und Marmelade großer europäischer Firmen zu finden sind. Es ist schon viel erreicht, wenn zumindest der lokale Honig auf dem Frühstücksbüfett steht. Weiße Angestellte und die Touristen leben oftmals in so genannten Gated Communities, in denen ein hoher Zaun oder eine Mauer eine Trennlinie zur Außenwelt zieht und diese Abgrenzung so weiträumig erfolgt, dass sie übersehen werden kann. Es gibt heute bereits das Extrem, dass eine komplette Insel nur für Touristen bebaut wurde. Es gibt hier keine einheimischen Siedlungen mehr, die (weißen) Touristen sind für sich.
Klaus Töpfer verwies darauf, dass die so genannte weiße Industrie, der Fremdenverkehr die wasserintensivste Industrie ist. Es gibt viele Beispiel, wo Hotels direkt am Meer errichten wurden, aber natürlich gleichzeitig große Swimming Pools angelegt wurden. Und wo badet die Mehrzahl der Touristen? In den Swimming Pools.
Er warnte vor den vielen positiv besetzten Labels außerhalb des Massentourismus. Es gibt wahrlich keinen Mangel an wohlklingenden Adjektiven, aber sie sind stets auch ein Teil der Werbung. Mit einer kleinen Weisheit zum Wesen des anderen Reisen beendete er seine Ausführungen: Das schwierige am Laufen ist das Innehalten.

Die Afrikaangebote im Reisepavillon wollten mich nicht überzeugen. Es waren vor allem Angebote für Individualreisende, also Rucksackreisen auf höherem Niveau. Da waren die Informationsstände von UNEP, Deutsche Stiftung Weltbevölkerung und Amnesty International für mich interessanter. Die interessanten Informationen aus afrikanischen Reisezielen werden eher in den Vorträgen, Filmen, Diskussionen und Workshops geboten. Doch mehr als drei Stunden an den Ständen war keine Aufnahmefähigkeit mehr vorhanden.

Habe reichlich Material für die Exkursionen im Rahmen des Europa-Kolleg 2007 und für meine Reise nach Sibiu und Barcelona gesammelt. Sibiu ist Capitală Culturală Europeană 2007 und Veranstalter der Dritten Ökumenischen Konferenz Europas und war mit einem Stand auf der Reisemesse vertreten. Natürlich waren die beiden Ansprechpartner aus Sibiu Absolventen der Deutsche Schule Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium.

Mit einem Lächeln, Broschüren und Stadtplänen ging es zurück in die Wohnung.

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