Archiv. Ein Beitrag vom November 2006 aus meinem aktuellen Blog, der nun hier ins Archiv verschoben wurde.
Das Banale und das Besondere sind stets so nah. Während ich bei jeder Internetverbindung in den letzten Tagen den Castor-Newsticker aufrief und mit nur geringer Verzögerung die Bewegungen des Atommülls verfolgte, lief zeitgleich das Luxuspassagierschiff Queen Mary 2 die Elbe aufwärts. Zusammen mit meiner Mutter versuchten wir vergeblich eine Webcam zu finden, die das Schiff zeigte, aber es war auch bereits verabredet, dass wir zum Elbstrand beim stillgelegten Schrott-AKW Stade fahren würden.
Und was ist jetzt das Banale und was ist jetzt das Besondere? Es ist der 10. Castortransport nach Gorleben und bereits die 7. Vorbeifahrt der QM2 in diesem Jahr.
Gegen 16 Uhr waren die Castoren mit einigen Stunden Verspätung am Umlandebahnhof Dannenberg-Ost angekommen. Wir fuhren nach Bassenfleth.
Bei auflaufenden Wasser und kräftigem Wind versuchten wir trockenen Fußes im Deichvorland an den Strand zu kommen. Eine Springflut hatte das Deichvorland bis zum Deichfuß erreicht und die Fläche zwischen Deich und Strand war durchnässt oder stand sogar immer noch unter Wasser. Kräftige Wellen rollten in schneller Reihenfolge an den Strand. Ein Containerschiff fuhr gerade außer Sicht und von der Fahrrinne bis zum Strand dauerte es etliche Minuten bis diese Bug- und Heckwellen heranrollten.
Es war ein kühler Nachmittag und in den folgenden zwei Stunden kamen sogar noch zwei kurze Schauer hinzu, die zusammen mit den scharfen Wind die gefühlte Temperatur an die Grenzen des Akzeptablen drückte. Doch es war Strand, es waren Wellen und es war schön.
Meine Mutter hatte im Radio gehört, dass eine Vorbeifahrt vor halb Sechs erfolgen sollte. Kü-Mo und Containerschiffe fuhren vorbei. Das sehr dumpfe Geräusch eines großen Schiffes, dass mitten in der Elbe vor Anker lag, war zu hören. Die Dunkelheit kam schnell über uns, aber außer einen sehr langsam schmaler werdenden Strand passierte wenig. Das Fernglas wurde immer wieder elbabwärts ausgerichtet, doch in der Dunkelheit waren eigentlich nur noch die blinkenden Tonnen und grünen Backbordlichter zu sehen.
Wasser und Sand und schon war der Hacken eines Schuhs im Sand und der Spieltrieb kam raus. Es wurde eine Linie gezogen, um zu sehen, wann erste Wellen diesen kleinen Graben mit seinen Wällen erreichen würden. Dies war meine Mutter. Das Kind (ich) kniete sich gleich in den Sand und baute im Dunkeln eine Strandburg. Es gibt so einfache Freuden.
Kälte und Ereignislosigkeit führten dazu, dass wir schließlich den Strand verliessen und wieder auf den Deich kletterten. Wir wollten noch eine geringe Zeit warten und dann ohne einen Blick auf die QM2 die Aktion abbrechen. Natürlich kam jetzt das Schiff. Mehrere übereinandergestapelte Lichtsstreifen zeichneten sich am Horizont ab. Fünf Minuten später war das Schiff bereits auf der Höhe von Stadersand und es waren bereits mehr als 10 Lichtlinien zu unterscheiden. Es dauerte weitere 10 Minuten, bis das Schiff an uns vorbeizog. Die Fahrrinne ist etwa einen Kilometer entfernt, dennoch war dies mit Abstand das höchste Schiff, dass bisher an uns vorbeizog. Ich war nicht wirklich beeindruckt.
Das Banale und das Besondere. In der Tagesschau war der Castortransport die dritte Nachricht mit eigenen Bericht. N3 sendete ab Viertel nach Acht zum vierten Mal in diesem Jahr eine lange Sondersendung, welche die Einfahrt der QM2 in den Hafen von Hamburg zeigte. Die Castorfestspiele mit ihren mehr als 10.000 beteiligten Aktiven in grünen und blauen Uniformen sind unseren staatlichen Regionalsender keine Sondersendung mehr wert.
Da ende ich sarkastisch: Es lebte das Banale!
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