Samstag, September 16, 2006

Diplo August 2006

Nachschlag! An der Nordseeküste hatte ich viel Zeit zum Lesen. Aus der August-Ausgabe der deutschsprachigen LE MONDE diplomatique empfehle ich die folgenden Artikel zur Lektüre. Die Namen der jeweiligen Autoren sind der Link zum Artikel:
  • Der italienische Abgeordnete des Europaparlaments (EP) Giulietto Chiesa berichtet über die Arbeit des Nichtständigen Ausschusses des EP zur Kooperation europäischer Staaten bei der Beförderung und dem rechtswidrige Festhalten von Gefangenen durch die CIA. Dabei geht es auch darum, dass die USA seit Jahren alle zivilisatorischen Fortschritte im Völkerrecht systematisch sabotiert oder wie Sie selbst sagen neu interpretiert. Der Leiter der Europa-Abteilung im State Department Dan Fried sagte den europäischen Parlamentarier im Mai 2006, dass das geltende Rechtssystem “mit der bis dato unbekannten Kampfform, die dieser Krieg mit sich bringt, unvereinbar ist”.
  • Hubert Prolongeau berichtet aus Burkina Faso über den Rückgang der Frauenbeschneidung. Bemerkenswert sind an diesem Beispiel der Hinweis darauf, dass Frauenbeschneidung bereits vor der Ankunft des Islams seit dem späten 19. Jahrhundert ein Massenphänomen war und damit die anti-islamische Agitation als solche aufgezeigt wird und der wunde Punkt in der traditionellen Männergesellschaft zu verorten ist. Der Erfolg gegen die Frauenbeschneidung basiert auf kleinen Informationsteams, die einzelne Dörfer für mehrere Tage besuchen und Folgebesuche ankündigen und absolvieren. Die Strafandrohung, die seit Mitte der 1980-er Jahre besteht hat in dieser Entwicklung keine große Wirkung.
  • Der britische Publizist Neal Ascherson gibt eine ausführliche Besprechung des aktuellen Buches von David Blackbourn. “The Conquest of Nature. Landscape and the Making of Modern Germany”, London: Jonathan Cape, 2006. Es wird eine Umweltgeschichte der letzten 250 Jahre geboten mit Detailstudien zur Kanalisierung der Oder unter Friedrich II. 1753 und den Plänen der Nazis unter der Leitung von Heinrich Wiepking-Jürgensmann 1942 die Pripjatsümpfe im heutigen Belarus trockenzulegen und als ein deutsches Siedlungsgebiet im Generalplan Ost zu nutzen. Ascherson stellt heraus, dass in diesem Buch konsequent von einer Kulturlandschaft gesprochen wird und das es bei vielen Projekten um eine Aneignung und Eroberung der so genannten Natur geht ohne die langfristigen Folgen zu bedenken. Nach der Lektüre dieser Besprechung besteht eine ausgesprochene Neugier, dass ganze Buch zu lesen, entweder in der bestimmt kommenden deutschen Übersetzung oder gleich im Original.
  • Der Schriftsteller Tahar Ben Jelloun hat eine Kurgeschichte zur Remigration veröffentlicht. Das Verdrängen fremder kultureller Einflüsse kann zu absurden Konsequenzen führen. Die Erzählung hat deshalb manchmal den Hauch einer Satire und manchmal eines Moralstückes.
  • Der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo steuert eine Satire auf autokratisch regierte Staaten bei. Ein treuer Mitarbeiter des Systems berichtet über die Probleme in einem Land in dem offiziell alles mit 99 Prozent-Mehrheiten bestätigt wird. Die sozialen und ökonomischen Verwerfungen durch die Globalisierung werden durch Maßnahmen, die nur dem Wohl der Bevölkerung dienen, verdrängt. Es erinnert manchnmal an die Absurdität von Stanislaw Lem, die dieser besonders in seinen Roman “Der futurologische Kongreß” von 1972 pflegte.
  • Der Internetjournalist Pierre Lazuly berichtet über einen Dienstleistungstrend, der bedrohliche Ausmaße annimmt. Wikipedia ist das positive Beispiel, wo Menschen ohne Bezahlung zum Teil fundierte Artikel mit Abbildungen für die Weltgemeinschaft verfassen. Einzelne Unternehmen machen sich diesen Idealismus innerhalb der Internetcommunity nun zu nutze, in dem Sie Übersetzungen, Tipparbeiten, Erklärungen und Umfragen für sie kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten durch Idealisten und Billiganbieter ausführen lassen. Der Amazon Mechanical Turk ist so ein kommerzielles Angebot. Im Versuch wurde damit ein maximaler Stundenlohn von 3,60 Dollar erreicht bei einem US-Mindestlohn von 5,15 Dollar. Das Beispiel World of Warcraft wurde in diesem Zusammenhang bereits oft dargestellt, wo chinesische Spieler Waffen, Geld und Punkte sammeln, die dann von europäischen und US-amerikanischen Zwischenhändler für einen Fixpreis aufgekauft werden und über Ebay und andere Plattformen versteigert werrden.
  • Der Diplo-Redakteur Bernard Cassen berichtet über eine soziale Utopie, die in einem franko-kanadischen Dorf seit hundert Jahren mit vielem Krisen gelebt wird. Das Leben in Saint-Camille mit seinen kommunalen Einrichtungen und der Vielzahl von ehrenamtlichen Tätigkeiten funktioniert nur, wenn immer wieder neue ideologisch gefestigte Menschen heranwachsen. Die Moderne muss dabei kein Widerspruch sein.
Viel Spaß beim Lesen der Artikel!

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