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Deshalb der ganze Text von Günter Grass, so wie er in der Süddeutschen Zeitung am 4. April 2012 erschien:
Das Gedicht vorgetragen von Günter Grass (NDR/ARD, 5. April 2012)Was gesagt werden muss
Warum schweige ich, verschweige zu lange,was offensichtlich ist und in Planspielengeübt wurde, an deren Ende als Überlebendewir allenfalls Fußnoten sind.
Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,der das von einem Maulhelden unterjochteund zum organisierten Jubel gelenkteiranische Volk auslöschen könnte,weil in dessen Machtbereich der Baueiner Atombombe vermutet wird.Doch warum untersage ich mir,jenes andere Land beim Namen zu nennen,in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten -ein wachsend nukleares Potential verfügbaraber außer Kontrolle, weil keiner Prüfungzugänglich ist?Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,empfinde ich als belastende Lügeund Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,sobald er missachtet wird;das Verdikt "Antisemitismus" ist geläufig.Jetzt aber, weil aus meinem Land,das von ureigenen Verbrechen,die ohne Vergleich sind,Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird,wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auchmit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert,ein weiteres U-Boot nach Israelgeliefert werden soll, dessen Spezialitätdarin besteht, alles vernichtende Sprengköpfedorthin lenken zu können, wo die Existenzeiner einzigen Atombombe unbewiesen ist,doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will,sage ich, was gesagt werden muss.Warum aber schwieg ich bislang?Weil ich meinte, meine Herkunft,die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheitdem Land Israel, dem ich verbunden binund bleiben will, zuzumuten.Warum sage ich jetzt erst,gealtert und mit letzter Tinte:Die Atommacht Israel gefährdetden ohnehin brüchigen Weltfrieden?Weil gesagt werden muss,was schon morgen zu spät sein könnte;auch weil wir - als Deutsche belastet genug -Zulieferer eines Verbrechens werden könnten,das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschulddurch keine der üblichen Ausredenzu tilgen wäre.Und zugegeben: ich schweige nicht mehr,weil ich der Heuchelei des Westensüberdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,es mögen sich viele vom Schweigen befreien,den Verursacher der erkennbaren Gefahrzum Verzicht auf Gewalt auffordern undgleichfalls darauf bestehen,dass eine unbehinderte und permanente Kontrolledes israelischen atomaren Potentialsund der iranischen Atomanlagendurch eine internationale Instanzvon den Regierungen beider Länder zugelassen wird.Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern,mehr noch, allen Menschen, die in dieservom Wahn okkupierten Regiondicht bei dicht verfeindet lebenund letztlich auch uns zu helfen.
(Günter Grass, 2012)
Günter Grass im Interview mit dem ARD-Tagesthemen Moderator Tom Buhrow (5. April 2012)
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1 Kommentar:Stefan Wehmeier hat gesagt…
1) Der kämpfende Pazifist, der sich der Größe seiner Aufgabe bewusst ist, wird keinen Unterschied machen zwischen Bürger- und Völkerkrieg, zwischen äußeren und inneren Feinden. Für ihn gibt es nur einen Krieg, nur einen Frieden. Mit gleicher Macht erstrebt er den Frieden nach innen wie nach außen.
2) Der Pazifist, der tiefer in die Beweggründe der Kriege schaut, geht noch einen Schritt weiter in der Beurteilung des Bürger- und Völkerfriedens und sagt, der Kriegsgeist, der Geist der Gewalt, ist ein Kind des chronischen bürgerlichen Kriegszustandes, der die Eingeweide aller Kulturvölker zerreißt. Wer diesen Geist bekämpfen will, muss ihn in erster Linie als Bürger im eigenen Lande bekämpfen. Der Weg zum Völkerfrieden geht über den Weg des Bürgerfriedens und nicht umgekehrt.
3) Das, was die Völker und Volksklassen in Waffen gegeneinander treibt und immer getrieben hat, sind Dinge wirtschaftlicher Natur, die Notzustände schaffen oder vorherrschen lassen, und für diese Zustände gilt das Gesetz: NOT KENNT KEIN GEBOT. Die Not bricht nicht nur Eisen, sondern auch Verfassungen, Verträge und Bündnisse und setzt sich über alle moralischen, ethischen und religiösen Hemmungen hinweg. Nichts ist schließlich der Not heilig als der Kampf gegen ihre Ursachen.
4) Auf die Beseitigung solcher Notzustände hat also der ernsthafte Friedenskämpfer sein Augenmerk zu richten, unbeschadet seiner etwaigen Überzeugung, dass der Frieden oder wenigstens der Friedenswunsch mit moralischen, religiösen und ethischen Mitteln auch noch gefordert werden könne.
5) Der Notzustand, der zu den Kriegen treibt, hat wenigstens bei den heutigen Industrie- und Handelsvölkern seinen Grund nicht in einem naturgegebenen Mangel an Industrie- und Nährstoffen, sondern in unseren gesellschaftlichen Einrichtungen, die die Produktion und den Austausch beherrschen und die Arbeit tributpflichtig machen, wobei der Umstand noch erschwerend wirkt, dass zur Sicherung dieses Tributes der Produktion und dem Tausch Hemmungen bereitet werden müssen, die zu Krisen und Arbeitslosigkeit führen. Die gesellschaftlichen Einrichtungen, um die es sich da handelt, sind das Privateigentum an Grund und Boden und das herkömmliche, aus dem Altertum in unveränderter Gestalt von uns übernommene Geldwesen, dessen Mängel immer offensichtlicher geworden sind. Grund- und Geldbesitzer fordern Zins, sonst sperren sie der Produktion den Boden und dem Austausch der Produkte das Geld. Dieser Zins überträgt sich automatisch auf das gesamte Wirtschaftsleben und schafft das, was als Kapitalismus bezeichnet wird.
Silvio Gesell (Stabilisierung des Bürger- und Völkerfriedens, 1928)
Ein geistiger Tiefflieger wie Günter Grass wird das wohl bis zum Jüngsten Tag nicht mehr begreifen.
http://www.deweles.de/intro.html 5. April 2012 11:27
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