Die Stadt, wie ich sie gut kenne, reduziert sich eigentlich auf einige Dutzend Straßen, die ich seit 25 Jahren auf meinem Fahrrad von A nach B oder C durchquere. Da falle dann Veränderungen auf. Sei es nun ein Bauprojekt oder die Jahreszeiten im Spiegel der Vegetation oder eben ungewöhnliche Menschen.
In der Nordstadt von Hannover gibt es fünf Gebetsstätten für Muslime. Ich vermeide bewusst das Wort Moschee, da einige der Orte umgebaute Gewerberäume oder Wohnräume sind. Nur eine Gemeinschaft hat hier eine Moschee mit Andeutungen von Minaretten und einer Kuppel über den Gebetssaal. Auf abendlichen Busfahrten habe ich schon mehrmals Männer mit langen Bart und Kaftan hier ein.- oder aussteigen sehen. Eine der Moscheen predigt in arabischer Sprache und ich vermutete, dass diese wohl auf den Weg dahin oder von dieser waren.
Nun sah ich erstmals eine voll verschleierte Frau an einer Kreuzung stehen. Von ihrem Gesicht war nichts zu sehen, den dort wo der Niqab einen Blick auf die Augen zulassen würde, trug sie eine auffällige Brille.
Wenn ich katholische Pinguine sehe, muss ich schmunzeln. Dieser Anblick einer Muslima ließ mich ratlos weiter radeln.
Informationen zu den Moscheen in Hannover auf den Seiten der Stadt mit Verknüpfungen zu Einzeldarstellungen.
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Nachtrag: Danke für die zwei Kommentare (hier und im FB). Es bleibt die Ratlosigkeit, die sich aus meiner Reaktion auf die Beobachtung speist. Es geht nicht um Ablehnung oder Zustimmung, sondern um die Irritation, dass in meiner säkularen (?) Welt "missio", so verstehe ich das demonstrative Zeigen religiöser Symbole, einbricht.
Nachtrag 2:
Wenn in Medien und Politik gegen Frauen mit Kopftuch polemisiert und agiert wird, dann ist dies nur peinlich. Birgit Rommelspacher schrieb 2009 für die Bundeszentrale für politische Bildung über die Emanzipation "der" muslimischen Frauen und führte hier aus:
"(...) das muslimische Kopftuch [war] so lange kein Problem, so lange es nur die Putzfrau oder die Fließbandarbeiterin trugen. Jetzt, da es auch Ärztinnen, Rechtsanwältinnen und Lehrerinnen anlegen, ruft es heftigen Widerstand hervor."Sie führt diese Ablehnung darauf zurück, dass muslimische Frauen erstmals in größerer Zahl ihre soziale Schicht verlassen. Dank an Hilal Sezgin, die in ihrer Kolumne (taz vom 2.5.2012) auf dieses Zitat verwies.
(Birgit Rommelspacher "Zur Emanzipation "der" muslimischen Frau", in: Aus Politik und Zeitgeschichte 5/2009)
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1 Kommentar
Blogger Nicole hat gesagt...
Hallo Jürgen, Warum ratlos??? habe mir in den letzten Tagen auch mal Gedanken bezüglich dieser Thematik gemacht. Warum dürfen Nonnen ihr Gewand tragen ohne kritisiert zu werden. Musliminnen aber nicht? Ist es nicht für beide ein Ausdruck ihrer Ehrfurcht vor Gott? Ich glaube einfach, das wir ein falsches Bild vermittelt bekommen. Dadurch das so viele Musliminnen von ihren Männern unterdrückt werden hat die Verschleierung etwas Negatives.Und so lange es diese Unterdrückung gibt, werden wir immer negative Assoziationen haben, wenn wir verschleierte Frauen sehen.
Lieben Gruss Nicole
7. April 2012 15:56
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