Dienstag, Oktober 03, 2006

Wiederholte Windows Widrigkeiten

Windows und die Officeprogramme sind bekannt als Quell von Ärgernissen. Es wäre zu erwarten, dass zumindest eine Kompatibilität innerhalb der Microsoft-Welt besteht.
Gestern wollte ich in einem Copyshop digitale Ausdrucke anfertigen lassen. Es waren dies doc-Dateien unter Word97, die mit einigen Feinheiten als Teil einer Präsentation formatiert waren.

Im Copyshop war sehr viel los. Einige Maschinen waren defekt und für die Übrigen musste ich Schlange stehen. Als ich schließlich am Computerarbeitsplatz stand, nörgelten bereits weitere wartende Kunden. Also, Dateien öffnen, ausdrucken, zahlen und gehen.
Denkste, die installierte Wordversion veränderte meine Dokumente. Mein Briefkopf war zu groß und verschoben und alle Texte waren unerwartet in 10pt-Schrift. OK, also Strg A und zurück zu 12pt. Dann waren da noch meine Einzüge verändert und die wohl ausgewogene Seitenaufteilung verschoben. Ich fummelte unter dem Stress der murmelnden Wartenden etwa fünf Minuten an den Texten herum und druckte schließlich.
Die Fehler habe ich dann erst Zuhause am Schreibtisch gefunden.

Gibt es in irgendeinen anderen Bereich der Warenwelt so einen Unsinn, den Millionen Kunden durch Neu- und Zukauf beständig beseitigen? Wie wäre es mit:
  • CD-Spielern, die zehn Jahre alte Silberlinge nur noch mit einem Zusatzmodul abspielen
  • Motoren, die immer nur eine aktuelle Treibstoffmischung akzeptieren oder krepieren

Kommentare:

Martin hat gesagt…
Ich kann dir eigentlich nur den Umstieg auf Linux nahelegen. Warum?

1. Es wurde von einem Finnen erfunden. :) Na ja, wenn das ein Grund ist...

2. Es ist, anders als Mac OS, kostenlos und trotzdem viel schneller, stabiler und logischer als Windows. Sieht außerdem besser aus!

3. Es ist Open Source, d.h. fast alles, was sich irgendjemand mal an zusätzlichem Funktionsumfang gewünscht hat, ist auch zum Nachinstallieren vorhanden. Die freie Verfügbarkeit des Quellcodes ist genau das, was auch Wikipedia ausmacht: Kollektive Intelligenz, hohe Aktualität, soziale Vernetzung.

4. Es gibt deutlich weniger Linux- als Microsoft-Viren, und solang ein Großteil der Leute die kleine Mühe des Umrüstens nicht auf sich nimmt, bleibt das auch so. Die Linuxer freuen sich...

Die intuitivste Linux-Distribution ist Ubuntu (mit der namensgebenden afrikanischen Philosophie bist du vielleicht vertraut). Motto: "Linux for human beings."

Ich werde demnächst, wenn ich Zeit habe, meinen Rechner auf Linux umrüsten. Weil ich wg. einiger weniger Programme doch nicht ganz auf Win verzichten kann, muss ich wohl einen sogenannten "dual boot" einrichten, d.h. dass beide Systeme installiert sind und beim Einschalten ausgewählt wird.

Ob die Open Office-Dokumente dann allerdings im Copyshop besser aussehen, ist ne andere Frage. Dort herrscht ja offenbar immer noch Microsoft...

Wahrscheinlich hast du allerdings ohnehin schon über diesen Umstieg nachgedacht und die Sache aus gutem Grund verworfen. Aus welchem?

With no walls or fences on the Internet, who needs Windows or Gates?
Ulaya hat gesagt…
Von 1998-2000 habe ich Linux genutzt. Ich wohnte mit einem Informatiker in einer Wohngemeinschaft zusammen, der selbstverständlich LINUX (und auch MS) auf seinen Rechner hatte. Mein Rechner war Win98 mit Lotus als Schreib- und Rechenprogramm, aber wenn ich ins Netz wollte, dann ging es nur über seiner Rechner und damit über LINUX.
Ich habe damals bereits alle Vorteile kennen gelernt, aber ich erinnere mich auch daran, dass es viele Wochen gedauert hatte, bis der Rechner fertig konfiguriert war.
Doch hier hat sich ja viel getan. Es gibt jetzt ja auch pre-konfigurierte Linux mit Einstellungen, wie sie die absolute Mehrheit haben möchte.

Irgendwann muss ich mich von diesen Laptop trennen und wieder mit meinem (schnelleren) Desktop ins Netz gehen, spätestens dann möchte ich auf meiner sekundären Festplatte auch Linux haben.

Jürgen
Martin hat gesagt…
Exakt. Das traditionelle Linux für Bastler ist natürlich nicht massentauglich, was die Linux-Gemeinde auch langsam eingesehen hat. Aber selbst die neueren Distributionen sind nicht unbedingt leicht zu konfigurieren, womit sich auch die Karriere von Ubuntu als "Shooting Star" erklären lässt. Eine vollständige Datensicherung vor der Installation eines zweiten Betriebssystems ist unerlässlich! Es kann nämlich eine Menge schiefgehen, wenn auch nur softwareseitig. Hat man alles gesichert, kann man unbesorgt herumprobieren, -konfigurieren und -formatieren. :)

Donnerstag, September 28, 2006

Kirsten Harms und der Islam

Wie ist nur so viel politische Dummheit an der Spitze einer hoch subventionierten Kultureinrichtung für das Bürgertum möglich? Kirsten Harms ist Intendantin der Deutschen Oper Berlin und hat spektakulär die Mozartoper "Idomeneo" in der Inszenierung von Hans Neuenfels wegen dessem geschmacklosen Nachwort mit den abgeschlagenen Köpfen von Neptun, Buddha, Jesus und Mohammed, aus Sicherheitsgründen abgesetzt. Hat diese ignorante Kultur-Tussi denn keine Presseabteilung und Menschen, die sie beraten?

Mir erscheint es wie eine gezielte Aktion, da eines der drei Opernhäuser in Berlin seine staatliche Förderung (jeder Sitzplatz in jeder Vorstellung -besetzt oder nicht- wird immer mit jeweils mehr als 100 Euro subventioniert; wie gut könnte es einer vielfältigen Kultur gehen, wenn hier nicht so viel Geld verschwendet würde!) verlieren wird. Jede Presse ist gute Presse und eine Schließung der Deutschen Oper Berlin ist nach dieser Aktion absolut undenkbar. Betriebswirtschaftlich war dies also eine geniale Idee; aber politische Schwachsinn und hat einen widerlichen Geschmack.
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Hier sei auch auf die folgenden Notizen verwiesen:
Zitat von Douglas Adams zur Religion
Papst Benedikt zitiert Kaiser Manuel II zum Islam

Dienstag, September 26, 2006

Fahrradtotalschaden

Beim vorletzten Table-Quiz wurde vor dem Cafe K mein Fahrrad vandalisiert. An einem sonnigen Nachmittag versuchte ich vergeblich das extreme verbogene Hinterrad auszubauen. Meine Nachbarin half mir gleich doppelt aus. Zum einen hat sie mir ein nicht genutztes Herrenrad geliehen, dass sie von einer Bekannten geerbt hat und zum anderen lud sie das Fahrradwrack in ihren Wagen und wir fuhren zu einen Fahrradhändler meines Vertrauens.
Ich repariere an meinen Rädern fast alles selbst; eine Ausnahme sind die Felgen und das Nachspannen von Speichen. Dies kostete mich alle 4 bis 5 Jahre bisher stets 50-70 DM, wenn dann nach entsprechenden Jahren eine Felge durch den Stadtverkehr und meine ruppige, schnelle Fahrweise zu viele Schäden aufwies. Vor dem Betreten des Fahrradladens hatte ich mir selbst ein Preislimit für die anstehenden Reparaturen gesetzt. Bei Hundert Euro wollte ich zögern.
Der Fahrradmechanikermeister sah und berichtete: zerstörte Felge, zerstörte Speichen, verbogene Hinterachse, vermutlich zerstörte Gangschaltung und Trommelbremse plus verbogener Rahmen im Bereich der Radaufhängung.
Der Meister meinte, dass alleine die Ersatzteile deutlich über 100 Euro kosten würden (und dann würde da noch die Arbeitszeit hinzugekommen). Totalschaden! Ein Begriff, der vermutlich selten im Kontext von Fahrrädern verwendet wird. Ich habe das Fahrrad vor einigen Jahren SecondHand in Deventer, Niederlande gekauft. Und die Reparatur würde analog zum Auto deutlich über den derzeitigen Wert des Fahrzeugs liegen.
Der Fahrradhändler meinte auch, dass es nur zwei kräftige Stöße benötigt, um den Schaden zu erzeugen. Ein Angetrunkenen fällt gegen das Fahrrad und wegen des Anlehnens gegen einen Pfeiler eines Verkehrsschildes wird diese Kraft nach dem Hebelgesetz verstärkt. Und dann ein wütender Tritt gegen das Hindernis.
Nun werde ich also mein Rad ausschlachten und die Überreste in den Sperrmüll geben.

Sonntag, September 24, 2006

Table-Quiz Harry Potter

Gestern abend war wieder einmal Table-Quiz im Café K in Linden. Der erste Themenblock sollte sich um das Universum von Harry Potter drehen. Ich fuhr alleine nach Linden und setzte mich an einen nicht reservierten Tisch. Mein Team war aus individuellen familiären Gründen an verschiedenen Orten Deutschlands verstreut. Eine Bekannte einer Bekannten sprach mich an und fragte, ob ich bei ihnen mitmachen möchte. Natürlich, denn alleine am Tisch wäre es nicht so lustig geworden.

Ich hatte am Nachmittag noch einmal die Box mit den ersten vier Bänden in die Hände genommen und beim Blättern durch die Kapitel überlegt, welche Details vielleicht erfragt werden. Es gibt Hunderte von Personen in den Romanen, die an Dutzenden Stellen handeln und Details aus der magischen Welt erscheinen fast unüberschaubar. Also schaute ich auch noch mal bei Wikipedia vorbei, um Kuriosa im Umfeld der Schriftstellerin zu lesen. Na, wie lautet zum Beispiel der zweite Vorname von Harry Potter oder der Familienname seiner Mutter? Michael Gambon spielt nun Albus Dumbledore, doch wer spielte diese Rolle in den ersten beiden Teilen?

Diese Fragen wurden nicht gestellt. Statt dessen wurde zweimal nach einem Zauberspruch gefragt, einmal wurde nach der Wirkung eines Spruches gefragt und einmal nach dem Spruch zum Entwaffnen von Dementoren gefragt. Wie lautet der bürgerliche Name des Unaussprechlichen? Was sollte man nie mit einem Hippogreif tun? Wie heißt die Bank der Zauberer? Der Händler der Zauberstäbe? Der Leiter des Hauses Ravenclaw? Das Gasthaus von Rosmerta? Was ist Belfer und wo lebt die maulende Myrte?
Wir hatten einen Joker. Die erwähnte Bekannte einer Bekannten hatten ihren etwa 15 Jahre alten Sohn eingeladen und der kannte das HP-Universum. Nur der Name der Kneipe und des Zauberstabhändlers fielen ihn nicht ein. 8 von 10 Punkte und damit mit mehreren Teams auf dem 2. Platz. Kein Team hatte alles gewusst und zwei Tische mit den Lindener Intellektuellen, die stolz erklärten, so etwas weder zu lesen noch im Kino zu sehen, hatten nur 1 bzw. 2,5 Punkte. Was für arrogante Schnösel. Ich sehe mich auch als ein Intellektueller, aber 6 Punkte wusste ich auch.

Der zweite Themenblock drehte sich um Technik und Naturwissenschaft. Toll, der Joker war wieder gegangen –warum sollte er auch mit Alten seinen Samstag verbringen?- und ich saß mit drei Frauen zusammen, die genauso wenig von T & N wussten, wie ich. Viele Begriffe wurden nachgefragt: Fluchtgeschwindigkeit, konvex, Äquinoktikum, Supernova, Druse in der Geologie oder es wurde nach Entwicklern oder Entdeckungen gefragt: Crick & Watson, Mendelejew & Mayer, Elektromotor. Das brachte nur noch 5 Punkte.

Die wilden Wortspielereien des nächsten Blocks waren oftmals nahe dem Kalauer, aber einige waren wirklich gut. Es waren so leichte Fragen wie nach dem „musikalischem Mais“ (1) und dem „Träger der Erbinformation am Verdauungsorgan“ (2) aber auch wieder Fragen, die unbeabsichtigt mehr als eine richtige Antwort ermöglichten. Es gab also mehrmals halbe Punkte für logische Antworten. 9,5 für uns und wir waren auch nur noch einen halben Punkt vom Prosecco entfernt. Ein Team war jetzt bereits in allen drei Runden auf 1 und schon unerreichbare 3,5 Punkte vor uns.

Die gemischten Fragen brachen auch diesem zusammengesetzten Team das Genick. Ich wusste zwar noch was Gamelan ist (3) und was auf der 2006er deutschen 2-Euro-Münze abgebildet ist (4), aber weder wussten wir was eine Plinse ist noch Enflourage, die Zahl der Feldhockeyspieler, Bushido oder die höchste Rolle, die Alison Morrisette in einem Film spielte (Sie war Gott im phantastischen Dogma!). 4 Punkte und damit mit 26,5 Punkten nur auf Platz 6.

Peter Düker und der Wirt Ralf überschütteten uns immer wieder mit spöttischem Trost, aber die Bekannte der Bekannten sagte nur trocken als letzte Entgegnung. "Wir haben letzten Mal gewonnen, andere sollen auch mal gewinnen."
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Fussnoten: (1) Popkorn (2) Gendarm (3) Perkussionsmusik aus Java (4) Holstentor

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Eine Link-Liste zu allen Beiträgen zum Table-Quiz im Café K in umgekehrt chronologischer Reihenfolge:

Samstag, September 16, 2006

Papst-Zitat von Kaiser Manuel II. zum Islam

Bevor die Medienhysterie richtig Tempo gewinnt und Menschen von Fanatikern aufgehetzt werden und andere Menschen beleidigen, verletzen oder töten, sollte das Zitat von Josef Ratzinger aka Papst Benedikt XVI. im vollen Wortlaut gelesen werden:
All dies ist mir wieder in den Sinn gekommen, als ich kürzlich den von Professor Theodore Khoury (Münster) herausgegebenen Teil des Dialogs las, den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos wohl 1391 im Winterlager zu Ankara mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit führte. Der Kaiser hat vermutlich während der Belagerung von Konstantinopel zwischen 1394 und 1402 den Dialog aufgezeichnet; so versteht man auch, daß seine eigenen Ausführungen sehr viel ausführlicher wiedergegeben sind, als die seines persischen Gesprächspartners. Der Dialog erstreckt sich über den ganzen Bereich des von Bibel und Koran umschriebenen Glaubensgefüges und kreist besonders um das Gottes- und das Menschenbild, aber auch immer wieder notwendigerweise um das Verhältnis der, wie man sagte, „drei Gesetze“ oder „drei Lebensordnungen“: Altes Testament – Neues Testament – Koran. Jetzt, in dieser Vorlesung möchte ich darüber nicht handeln, nur einen – im Aufbau des ganzen Dialogs eher marginalen – Punkt berühren, der mich im Zusammenhang des Themas Glaube und Vernunft fasziniert hat und der mir als Ausgangspunkt für meine Überlegungen zu diesem Thema dient.

In der von Professor Khoury herausgegebenen siebten Gesprächsrunde (διάλεξις – Kontroverse) kommt der Kaiser auf das Thema des Djihād, des heiligen Krieges zu sprechen. Der Kaiser wußte sicher, daß in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist eine der frühen Suren aus der Zeit, wie uns die Kenner sagen, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg. Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von „Schriftbesitzern“ und „Ungläubigen“ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer, uns überraschend schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“. Der Kaiser begründet, nachdem er so zugeschlagen hat, dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. „Gott hat kein Gefallen am Blut”, sagt er, „und nicht vernunftgemäß, nicht „σὺν λόγω” zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann...".

Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, daß Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei und daß nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Götzendienst treiben.

An dieser Stelle tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert.
(Josef Ratzinger aka Papst Benedikt XVI., Aula Magna der Universität Regensburg; Dienstag, 12. September 2006)
Ich enthalte mich eines eigenen Kommentars, möchte aber auf den Blog von Martin verweisen. Zu diesem Thema möchte ich selbst nur noch einmal auf eine ältere Karikatur und den heutigen satirischen Kommentar von KRIKI verweisen.

Diplo August 2006

Nachschlag! An der Nordseeküste hatte ich viel Zeit zum Lesen. Aus der August-Ausgabe der deutschsprachigen LE MONDE diplomatique empfehle ich die folgenden Artikel zur Lektüre. Die Namen der jeweiligen Autoren sind der Link zum Artikel:
  • Der italienische Abgeordnete des Europaparlaments (EP) Giulietto Chiesa berichtet über die Arbeit des Nichtständigen Ausschusses des EP zur Kooperation europäischer Staaten bei der Beförderung und dem rechtswidrige Festhalten von Gefangenen durch die CIA. Dabei geht es auch darum, dass die USA seit Jahren alle zivilisatorischen Fortschritte im Völkerrecht systematisch sabotiert oder wie Sie selbst sagen neu interpretiert. Der Leiter der Europa-Abteilung im State Department Dan Fried sagte den europäischen Parlamentarier im Mai 2006, dass das geltende Rechtssystem “mit der bis dato unbekannten Kampfform, die dieser Krieg mit sich bringt, unvereinbar ist”.
  • Hubert Prolongeau berichtet aus Burkina Faso über den Rückgang der Frauenbeschneidung. Bemerkenswert sind an diesem Beispiel der Hinweis darauf, dass Frauenbeschneidung bereits vor der Ankunft des Islams seit dem späten 19. Jahrhundert ein Massenphänomen war und damit die anti-islamische Agitation als solche aufgezeigt wird und der wunde Punkt in der traditionellen Männergesellschaft zu verorten ist. Der Erfolg gegen die Frauenbeschneidung basiert auf kleinen Informationsteams, die einzelne Dörfer für mehrere Tage besuchen und Folgebesuche ankündigen und absolvieren. Die Strafandrohung, die seit Mitte der 1980-er Jahre besteht hat in dieser Entwicklung keine große Wirkung.
  • Der britische Publizist Neal Ascherson gibt eine ausführliche Besprechung des aktuellen Buches von David Blackbourn. “The Conquest of Nature. Landscape and the Making of Modern Germany”, London: Jonathan Cape, 2006. Es wird eine Umweltgeschichte der letzten 250 Jahre geboten mit Detailstudien zur Kanalisierung der Oder unter Friedrich II. 1753 und den Plänen der Nazis unter der Leitung von Heinrich Wiepking-Jürgensmann 1942 die Pripjatsümpfe im heutigen Belarus trockenzulegen und als ein deutsches Siedlungsgebiet im Generalplan Ost zu nutzen. Ascherson stellt heraus, dass in diesem Buch konsequent von einer Kulturlandschaft gesprochen wird und das es bei vielen Projekten um eine Aneignung und Eroberung der so genannten Natur geht ohne die langfristigen Folgen zu bedenken. Nach der Lektüre dieser Besprechung besteht eine ausgesprochene Neugier, dass ganze Buch zu lesen, entweder in der bestimmt kommenden deutschen Übersetzung oder gleich im Original.
  • Der Schriftsteller Tahar Ben Jelloun hat eine Kurgeschichte zur Remigration veröffentlicht. Das Verdrängen fremder kultureller Einflüsse kann zu absurden Konsequenzen führen. Die Erzählung hat deshalb manchmal den Hauch einer Satire und manchmal eines Moralstückes.
  • Der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo steuert eine Satire auf autokratisch regierte Staaten bei. Ein treuer Mitarbeiter des Systems berichtet über die Probleme in einem Land in dem offiziell alles mit 99 Prozent-Mehrheiten bestätigt wird. Die sozialen und ökonomischen Verwerfungen durch die Globalisierung werden durch Maßnahmen, die nur dem Wohl der Bevölkerung dienen, verdrängt. Es erinnert manchnmal an die Absurdität von Stanislaw Lem, die dieser besonders in seinen Roman “Der futurologische Kongreß” von 1972 pflegte.
  • Der Internetjournalist Pierre Lazuly berichtet über einen Dienstleistungstrend, der bedrohliche Ausmaße annimmt. Wikipedia ist das positive Beispiel, wo Menschen ohne Bezahlung zum Teil fundierte Artikel mit Abbildungen für die Weltgemeinschaft verfassen. Einzelne Unternehmen machen sich diesen Idealismus innerhalb der Internetcommunity nun zu nutze, in dem Sie Übersetzungen, Tipparbeiten, Erklärungen und Umfragen für sie kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten durch Idealisten und Billiganbieter ausführen lassen. Der Amazon Mechanical Turk ist so ein kommerzielles Angebot. Im Versuch wurde damit ein maximaler Stundenlohn von 3,60 Dollar erreicht bei einem US-Mindestlohn von 5,15 Dollar. Das Beispiel World of Warcraft wurde in diesem Zusammenhang bereits oft dargestellt, wo chinesische Spieler Waffen, Geld und Punkte sammeln, die dann von europäischen und US-amerikanischen Zwischenhändler für einen Fixpreis aufgekauft werden und über Ebay und andere Plattformen versteigert werrden.
  • Der Diplo-Redakteur Bernard Cassen berichtet über eine soziale Utopie, die in einem franko-kanadischen Dorf seit hundert Jahren mit vielem Krisen gelebt wird. Das Leben in Saint-Camille mit seinen kommunalen Einrichtungen und der Vielzahl von ehrenamtlichen Tätigkeiten funktioniert nur, wenn immer wieder neue ideologisch gefestigte Menschen heranwachsen. Die Moderne muss dabei kein Widerspruch sein.
Viel Spaß beim Lesen der Artikel!

Freitag, September 15, 2006

Diplo Juli 2006

Nach langer Pause möchte ich einmal wieder auf lesenswerte Artikel in der monatlichen LE MONDE diplomatique verweisen. Es ist ja nicht so, dass ich die Zeitung nicht mehr lese und schätze, aber es können nur retrospektive Hinweise erfolgen, da erst nach dem Erscheinen einer neuen Ausgabe, die Texte des Vormonats vollständig im Internet veröffentlicht werden. Dennoch sind diese “alten” Artikel gehaltvoller als zum Beispiel ein alter Artikel in der ZEIT, da in der Diplo einzelne Themen und Länderdarstellungen nur 1-2 im Jahr in stets ausführlichen Berichten mit Fußnoten erscheinen. Lange Vorrede und jetzt zu meinen Empfehlungen:
  • Anne Vigna beschäftigt sich journalistisch und politisch mit nachhaltigem Ökotourismus. Sie schreibt über einen Etikettenschwindel, der sich zur Zeit zum einen im Umfeld der historischen Mayastadt El Mirador, Guatemala und der Inselwelt vor der Küste von Baja California, Mexico abspielt. In beiden Gebieten soll eine Tourismusindustrie aufgebaut werden. Die Planer schwärmen von 120.000 (Guatemala) bzw. Millionen zahlungskräftige Reisende in neue Destinationen des Ökotourismus. In Guatemala wird von den Ureinwohnern befürchtet, dass der Bau einer Verkehrsinfrastruktur ihr Gebiet erschließt, aber die sensible Umwelt zerstört. Die Archäologen in El Mirador, das zur Zeit nur in mehrtägigen Fußmärschen zu erreichen ist, müssen zum Beispiel zur Zeit ihren täglichen Bedarf noch per Hubschrauber einfliegen. Eine Versorgung von einer großen Zahl von Touristen ist nur von außen möglich. In Baja California entsteht das Projekt Paraíso del Mar (Meeresparadies) dürfen Mangrovenwälder abgeholzt werden, obwohl die UNESCO das Gebiet in die Liste der Biosphärenreservate aufgenommen hat.
  • Die Demographin und Sinologin Isabelle Attané beschreibt eine Idiotie aus einer Männergesellschaft, die einen nur schmunzelnd den Kopf schütteln lässt. In China und einigen Staaten Indiens leisten sich viele Familien in einer frühen Phase der Schwangerschaft eine Geschlechtsbestimmung und lassen weibliche Föten abtreiben. Eine andere Form der Selektion ist die systematische Vernachlässigung von weiblichen Säuglingen. Die Mädchensterblichkeit ist in China 28 Prozent höher als die Jungensterblichkeit. Biologisch gibt es einen leichter Überschuss von Jungen über Mädchen. Durch selektive Abtreibungen werden zum Beispiel in der Provinz Guangdong, China 138 männliche Neugeborene je 100 weibliche Neugeborene gezählt. Nicht ganz so extreme Werte gibt es aus den beiden indischen Staaten Punjab (126) und Haryana (125) sowie aus Armenien (120). Diese Geschlechtsbestimmung ist seit Jahren offiziell verboten, wird aber im Stillen weiter betrieben. Diese wissenschaftliche unterstützte Selektion findet nun seit einer Generation statt und die Konsequenzen sind offensichtlich. Die Heiratsfähigen und -willigen in den genannten Territorien finden in ihrer Heimat nicht genügend Partner. Eine Lösung ist eine Ausweitung der Heiratsmigration. Junge Frauen aus Vietnam finden Partner in China und Taiwan, womit das Problem des Frauendefizits verlagert und verteilt wird. Zum Schmunzeln ist die Konsequenz dieser familiären Politik. Weniger Frauen gleich weniger Kinder, die wiederum weniger Mädchen gebären. Oder wie Amin Maalouf formulierte “Auto-Genozid einer frauenfeindlichen Gesellschaft”.
  • Der letzte Krieg in Europa ist gerade einmal sieben Jahre her, Potentiale für weitere Kriege liegen in übersteigerten Nationalvorstellungen in Südosteuropa. Über das aktuelle Problem Kosovo und die Debatten über Großalbanien und Großserbien geben Jean-Arnault Dérens und Laurent Geslin einen kurzen Überblick.
  • Die belgische Journalistin Colette Braeckman von der Tageszeitung Le Soir aus Brüssel berichtet über die Ausplünderung des Kongos. Der Staat Kongo ist schwach bis nicht existent und es gibt viele Interessenten, die mit diesem Zustand für sie profitable Geschäfte machen können.
  • Das religiös begründete Konflikte im nördlichen Europa weiter existieren, wird am oft dargestellten Beispiel Nordirland durch die Journalistin Cédric Gouverneur beschrieben. Das Friedensabkommen von 1998 hat zu keiner Annäherung geführt und die zivile Trennung von katholisch bzw. Protestantisch dominierten Viertel hat zu mehr Schutzmauern zwischen Ortsteilen und mehr staatlichen Einrichtungen, die separat für beide Gruppen aufgebaut wurden geführt. In einer Umfrage unter 18 bis 25-Jährigen beider Seite gaben durchschnittlich 62 Prozent an, dass sie noch nie mit einem Jugendlichen “von drüben” gesprochen haben.
Viel Spaß beim Lesen! Leider sind die exzellenten Karten, Graphiken und Fotos nicht in der Internetversion zu sehen.