Mittwoch, Januar 04, 2006

Das Jahr, das war – 1. Kino

Nachdem 2005 nun wirklich abgeschlossen ist, möchte ich einen persönlichen Rückblick auf das Filmjahr formulieren. Es ist schon kurios, dass alle professionellen Rückschauen bereits zwischen Ende November und Dezember das Licht der Öffentlichkeit erreichen und dann auch noch einen erheblich früheren Redaktionsschluss haben.

Als ich gestern auf den Seiten der Filmförderanstalt (dort Markdaten, dann Filmhitlisten und dann Monat bzw. Jahr wählen) die aktuelle TOP100 der Besuchszahlen deutscher Kinos anschaute, machte ich in Gedanken mein eigenes Ranking. Von den etwa 350 Filmen, die erstmals deutsche Leinwände erleuchteten, habe ich mir nur 12 angeschaut. Ich bin weiterhin von Filmen im Kino begeistert, doch finde ich nicht mehr so oft Zeit und die Summe, der bisher gesehenen Filme hält mich nachdrücklich von einem Besuch einer wachsenden Zahl von Filmen ab.

Was habe ich 2005 gesehen? 1. Aviator, 2. House of the Flying Daggers, 3. Alles auf Zucker, 4. One Day in Europe, 5. Star Wars III, 6. Am Tag als Bobby Ewing starb, 7. Per Anhalter durch die Galaxis, 8. War of the Worlds, 9. Kukushka, 10. Sin City, 11. Ein Mann für eine Saison, 12. Harry Potter IV.
Eine bunte Mischung von Popkorn- und Kunstkino.

1. Aviator (im amerikanischen Original). Martin Scorsese hat eine sehr intensive Geschichte vorgelegt. Der Wahnsinn von Howard Hughes wird in den Waschszenen und seinem zunehmenden Autismus dargestellt. Ein anderer Regisseur hätte vielleicht die Wahnsinnsszenen nach 20-30 Sekunden beendet, doch bei Scorsese läuft es weiter und weiter und damit wurde es immer unangenehmer DiCaprio zuzuschauen. So soll es sein. Gutes Kino erzeugt zum Beispiel intensive Gefühle. Das Leonardo DiCaprio wieder nicht den Oscar für die beste männliche Hauptrolle erhalten hat, verstehe wer will, ich nicht. Bereits für Gangs of New York wäre er fällig gewesen!

2. House of the Flying Daggers (im chinesischen Original mit englischen Untertiteln). Diese Farben, diese Choreographie; es war wie ein Besuch in einer guten Kunstausstellung.


3. Alles auf Zucker. Ich beobachte einen gewissen Hype um das Thema „jüdische Komödie aus Deutschland“. Ist eine nette Geschichte, aber eigentlich kein Film für Kino, sondern für die Glotze.


4. One Day in Europe (im vielsprachigen Original mit Untertiteln). Endlich mal wieder ein europäischer Film, der selbstverständlich verschiedene Staatsgrenzen überquert und damit ein wichtiges Lebensgefühl der EU als Hintergrund hat. Ein Engländerin in Moskau, ein Deutscher in Istanbul, ein Ungar in Santiago de Compostela und schließlich Franzosen in Kreuzberg und stets die selbe Geschichte von gestohlenen oder vermeintlich gestohlenen Reiseutensilien und der Versuch, dies der jeweiligen Polizei zu melden. Die Geschichte handelt an einen Tag innerhalb von etwa drei Stunden. Leitfaden ist das Fussballspiel zwischen Galatasaray Istanbul und Deportivo La Coruna in Moskau, das in ganz Europa von unterschiedlichsten Fans in Kneipen und privat angeschaut wird. Die erste Geschichte handelt vor dem Spiel, die nächsten beiden während der regulären Spielzeit und schließlich läuft im Hintergrund in den Kneipen die Entscheidung und die Siegesfeier. Die dauernden Missverständnisse in den vier Geschichten werden nicht langweilig, sondern bleiben unterhaltsam und wer selbst viel durch Europa gereist ist und sich nicht nur mit seinen Mitreisenden beschäftigt hat, versteht auch wieso.


5. Star Wars Episode III – Die Rache der Sith. Na ja, das war Pflicht. Habe schließlich bereits 1977 Krieg der Sterne im Kino Zeven gesehen. Mit dem Wissen der Episoden II und IV war vor allem interessant, wie die logischen Verknüpfungen geschaffen werden. Die Kampfszenen auf dem vulkanischen Planeten waren so etwas von absurd, dass es zwischenzeitlich unerträglich im Kino war. Dunkel erinnere ich mich auch an grauenhafte Musik.


6. Am Tag als Bobby Ewing starb. Das war dann ein Lichtblick, ein Blick in die bürgerbewegte Geschichte der 80er Jahre. Friedensbewegung und Anti-AKW-Bewegung politisierten viele Menschen wie mich. Die Beschimpfung als nützliche Idioten hat zur damaligen Zeit keinen gekratzt. Heute ist bekannt, dass die Friedensbewegung ohne die Organisation und die finanziellen Mittel aus der DDR, nie die Größe und publizistische Schlagkraft erhalten hätte, wie ohne diese Mittel. Es war kalter Krieg. Der Film handelt innerhalb der Aussteiger und dem lokalen Widerstand gegen das AKW Brokdorf. Damals gab es den ersten polizeilichen Kessel, der seitdem immer wieder durch Gerichte für illegal erklärt wird, aber im Zweifel von der Polizei dann doch wieder bei größeren Demonstrationen angewendet wird. Es ist ein lustige Geschichte und es wird sich nicht lustig über die Protagonisten gemacht. Die Menschen behalten ihre Ehre, die Lacher kommen aus der Absurdität von einzelnen Aktionen und Diskussionen. Es ist ein sehr genauer Blick auf die Zeit mit passgenauer Musik und Ausstattung. Einmal fährt die Kamera langsam durch die Land-WG und die Einrichtung entspricht den Wohngemeinschaften, die ich damals bewohnte und in der Nachbarschaft kannte 1 zu 1.


7. Per Anhalter durch die Galaxis (im Original leider mit deutschen Untertiteln). Dies war Pflichtprogramm der angenehmen Art. Ich weiß nicht mehr, wer mir in den 80er Jahren dieses Buch empfohlen hatte. Vielleicht war es einfach die gute Werbung von 2001, die bis heute die Buchrechte für Douglas Adams haben. In der Werbung hieß es bereits, dass der Film anders sein würde, als das Buch. Doch ich war beruhigt zu lesen, dass Douglas Adams selbst dieses veränderte Drehbuch in allen wesentlichen Elementen vor seinen viel zu frühen Tod verfasst hatte. Dies entsprach auch der bisherigen Entwicklung der Geschichte. Es begann als BBC-Hörspiel, entwickelte sich weiter als Buch das bereits ein wenig anders erzählte und die folgende BBC-Fernsehproduktion fand wieder einen anderen Dreh für einige Passagen. Nun also mit einer weiteren bisher nie erwähnten Hauptperson und einer schlüssigen Erklärung und Visualisierung der bürokratischen Vogonen. Die Szenen, in denen die Erde nach den Originalblaupausen nachgebaut werden, sind schreiend komisch. Der Typ, der mit einem B-Rohr der Feuerwehr den Ozean mit Wasser füllt, läßt sich selbst bei diesen Zeilen schmunzeln. Dies ist wohl der einzige Film des Jahres, den ich mir auf jeden Fall als DVD zulegen werde. Alleine schon weil ich bereits alle fünf Bänder sowohl auf deutsch, als auch im Original, zwei der Bänder als Comic, Band 1 als BBC-Filmproduktion und als deutsches Hörspiel besitze.


8. War of the Worlds (im amerikanischen Original). Ich hatte das Pech, dass alle anderen Besucher um mich herum deutlich unter 25 Jahre waren und zur Peng-Boing-Fraktion, die auch als 1-Eimer-Popkorn+große-Cola bekannt ist, gehörten. Herbert George Wells hat mit dem zugrundeliegenden Buch einen echten Klassiker geschrieben, der hier kongenial in die moderne Zeit transportiert wird. Leider muss bei US-Produktionen, auch wenn sie durch stupid German money finanziert wurden, die Handlung jeweils von den Originalschauplätzen (hier SW London) in die USA verlegt werden. Das Buch habe ich bereits mehrmals gelesen oder ich war sehr davon angetan, dass viele der Grundideen erhalten geblieben sind.


9. Kukushka – Der Kuckuck. (im internationalen Original mit deutschen Untertiteln). Der Film läuft auf Finnisch, Russisch und Sämisch und nur die Besucher erfahren, was die drei Hauptpersonen sich gegenseitig erzählen, da alle drei nur wenig Kenntnisse der anderen Sprachen haben. Der Kuckuck ist ein Himmelfahrtskommando im Zweiten Weltkrieg. Ein finnischer Soldat soll mit seinem Gewehr als Sniper, alleine eine Position bewachen und gegnerische Soldaten erschießen. Um eine Desertion zu verhindern wird er an eine Kette gefesselt, die solide an einem Felsen befestigt ist. Er muß geschickt alle Gegner „erledigen“, um selbst eine Chance zum Überleben zu haben. Als weitere Person kommt ein russischer Milizionär, der in ein Straflager transportiert wird und ein sämische Frau, die den Krieg weitestgehend ignoriert und ihren Jahreslauf lebt, auf. Die beiden Männer finden sich verletzt im sämischen Lager wieder und führen dort ihren eigenen Krieg fort. Es ist ein beklemmender, herzlicher und oftmals sehr komischer Film.


10. Sin City. Einer von diesen Filmen, die stilistisch die Filmkunst weiter entwickeln. Ich hatte im Vorfeld schon viel über den Film gelesen und war froh, dass er erst ab 18 Jahre freigegeben war. Dies reduzierte schon einmal die Zahl der Besucher, die einen während des Filmes durch blöde Kommentare, den Film ruinieren. Die sollen sich gefälligst nach dem Film über den Film unterhalten! Ich muss bekennen, dass ich weiß, dass es Comics für Erwachsene gibt und ein Enthusiast und Sammler hat mir auch einmal 3-4 Bände ausgeliehen. Dies ist nicht meine Welt, für diese Kunstform habe ich (noch) keinen Blick. Der Film ist hart, er ist extrem und ich erinnere mich, dass ich mir selbst das Mantra „ist doch nur ein Comic“ mehrmals aufsagte. Wider erwarten hat keines der Bilder es je in meine reichen Traumwelten geschafft. Und dabei sind es große Bilder, die zu sehen waren. Solche cineastischen Gemälde habe ich seit Matrix (natürlich Teil 1) und Kill Bill 1 nicht mehr gesehen.


11. Ein Mann für eine Saison. Leichte Unterhaltung.


12. Harry Potter and the Goblet of Fire (im Original). Was soll ich hierzu noch sagen. Das ist Popkorn at his Best. Fantastische Unterhaltung für drei Stunden. Die einzige Störung war, dass dieser Film gehypt wurde und entsprechend die wahrscheinlich längste Werberolle aller Zeiten vor dem Film gezeigt wurde. Zusammen mit der sehr langen Pause, die durch die Süßwarenindustrie vor einigen Jahren durchgesetzt wurde, dauerte der Film damit über vier Stunden. Doch der Film ist ohne Makel. Gutes Kino, dass nur zum Ende genauso wie das Buch schwächelt. Denn der letzte Dreh um die Person Mad-Eye Moody störte bereits im Buch (wie auch gerade im Potter VI die Offensichtlichkeit des Halbblutprinzen ist, aber weder die brillianten Schüler noch die Lehrer erkennen, wer sich hinter diesen selbst gegebenen Titel verbirgt).


Und welches war der beste Film? Keine Frage, Potter.

Welche Filme wollte ich nicht sehen und was ich habe ich ärgerlicherweise wegen der kundenunfreundlichen deutschen Filmwirtschaft verpasst?
Mein Alter schließt alle Filme, die ausschließlich für Teenager produziert werden, per se aus. Die Kracher (äh Krachmacher) Blade, Constantine, Babynator, Siegfried, Mr. + Mrs. Smith, Wächter der Nacht, Transporter, Die Legende des Zorro, Flighplan und die „Komödien“ Meine Frau ihre Schwiegerelter, Hitch, Verliebt in eine Hexe, Die weiße Massai (denn das kann nicht ernst gemeint sein) waren mir keine Cent wert.
Doch leider sind mir auch etliche Filme durch die Lappen gegangen. Ich hätte gerne Finding Neverland, Batmans Begin, Charlie und die Schokoladenfabrik und Brothers Grimm gesehen. Die Filmwirtschaft blockiert im zunehmenden Maße viele Leinwände zur gleichen Zeit mit den gleichen Filmen, angeblich um den Raubkopierern ein Schnäppchen zu schlagen. Dies hat zur Folge, dass nicht nur die Eventfilme eine immer kürzere Spieldauer haben, sondern, dass auf den verbliebenen anderen Leinwänden ein so scharfe Konkurrenz der Filme besteht, dass ich als Kinogeher, wenn ich einen Film sehen möchte, ihn unbedingt in der 1. oder 2. Woche sehen muß oder er ist schon wieder aus dem Kino verschwunden. Dies ist mehr als ärgerlich. Ich laß mir meinen Terminkalender nicht durch die Filmwirtschaft bestimmen. Früher, ach früher ... blablabla. Es war wirklich besser. Denn auf den 25-30 Leinwänden der Stadt liefen im Verlauf einer Woche 50-60 verschiedene Filme. Filme hatten ein Chance durch Mundpropaganda beworben zu werden. Wenn ich heute etwas über einen Film auf einer Party oder in der Kneipe erfahre, dann ist er schon gelaufen. Fernsehen bzw. DVD sind keine Alternative. Mit der Ausnahme der oben genannten Filme 3, 4, und 11, erfordern die Filme eine große Leinwand für einzelne Szenen oder sogar für den ganzen Film.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Howard Hughes war kein Autist. Er litt unter was als OCD (obsessive-compulsive disorder) bekannt ist. OCD ist ein sog. 'anxiety disorder' und meistens die Folge von Sozialisation oder anderen Einflüssen im Leben, während Autismus eine neuropsychische Krankheit ist (dh. es kann auch neurophysiologische Zeichen haben), die meistens angeboren ist.

Dachte, das spielt schon eine Rolle.

Brauel in Ulaya hat gesagt…

Danke für den Hinweis, JDM.