Das Influenza-A-Virus, der für den Menschen bedeutend ist, wird in der Regel nicht direkt von infizierten Vögeln angesteckt. Die Übertragung eines neuen Virussubtyp vom Vogel zum Menschen erfolgte bisher oftmals über eine Infektion von Schweinen, die sowohl von epidemischen Formen der Influenza der Vögel (aviäre Influenza) als auch der Menschen (humane Influenza) angesteckt werden können. Das Modell für die Übertragung nimmt an, dass sich im Schwein die verschiedenen Influenzasubtypen und –varianten mischen und manchmal dabei ein neuer Influenza-Subtyp entsteht, der auch den Menschen anstecken und dann von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Dies erfolgt relativ selten.
Die bisher beobachteten Influenza H5N1-Fälle wurden jeweils direkt vom Vogel auf Menschen übertragen, die tägliche, intensive Kontakte mit infizierten Tieren hatten. Nur in drei Fällen in Asien wird noch untersucht, ob es erste Hinweise von einer Infektion von Mensch zu Mensch gibt. Noch ist die Barriere zwischen den Arten nicht übersprungen.
Das bisher akzeptierte Modell Vogel – Schwein – Mensch hat in den letzten Jahren einen deutlichen Knacks erhalten. Dem Pathologen Jeffrey K. Taubenberger (Armed Forces Institute of Pathology) ist es mit seinem Team gelungen, das Virus der Spanischen Influenza 1918-1920 aus tiefgefrorenen Lungenteilchen zu rekonstruieren und in mit bestehenden und früheren Influenza-Subtypen zu vergleichen. Zum einen ist das Virus verantwortlich für die größte Pandemie in der Menschheitsgeschichte mit mehr als 30 Millionen Toten und für diverse Epidemien in Schweinezuchtbetrieben, aber zum anderen weist das rekonstruierte Virus viele Merkmale eines aviären Virus auf. Dies kann zwei Begründungen haben. Zum einen könnte eine Vogelgrippe unmittelbar Menschen infiziert haben und in den ersten infizierten Menschen die notwendige Rekombination erhalten haben, die zu einer Mensch zu Mensch Übertragung führen oder das Virus entspricht dem Modell, hat aber in der besonderen Situation des Jahres 1918 den doppelten Übergang vom Vogel zum Schwein zum Mensch in schneller Reihenfolge vollzogen. Riesige Menschenansammlungen in Militärlagern plus benachbarte große Schweinezuchtbetriebe, u.a. auch zur Versorgung der Rekruten führten zu vielen Kontakten. Die jährliche, winterliche Influenza des Jahres 1917-1918 hatte einen idealen Nährboden bei den Rekruten, die aus vielen Regionen zusammengezogen wurden und von denen viele keine Immunität gegen die aktuellen Varianten des humanen Influenzavirus hatten.
Nun zum Jahre 2006 und der Wahrscheinlichkeit einer neuen Pandemie. H5N1 ist bei Vögeln bereits pandemisch und führt bei vielen Vogelarten zu einer hohen Mortalität. Der Virus hat bei Menschen bisher eine erschreckende Mortalität von über 20 Prozent der Erkrankten, doch noch ist es eine Krankheit, die nur Menschen mit intensiven Kontakten zu erkrankten Geflügel betrifft.
Aus dem Wissen über die letzten drei Pandemien können zwei Szenarien zum Ausbruch der erwarteten Pandemie entwickelt werden. Das folgende ist Spekulation, aber ich behaupte einmal, dass dies eine qualifizierte Spekulation ist. Das erste Szenarium geht vom traditionellen Modell der Krankheitsübertragung aus. In einer Region, in der es Kontakte zwischen Wildgeflügel, Hausgeflügel und Schweinen gibt (Südostchina, Indien, südliche Afrika) kommt es zu einer H5N1 Infektion von Schweinen und in einer lokalen Epidemie kommt es zur Veränderung oder Vermischung von Virussubtypen, bis er auch bei Menschen eine epidemische Verbreitung ermöglicht. Dieses rekombinierte Virus (als H2N1, H3N1 oder direkt als H5N1) ist vermutlich abgeschwächt aber dennoch der Anfang einer Pandemie. Die bisher schlimmste Pandemie (1918-20) hat eine Mortalität (im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung –nicht nur der Erkrankten!) von regional 0,5 bis deutlich über 2 Prozent gehabt. Bezogen auf die heutige Weltbevölkerung wären dies 30 bis 120 Millionen Tote, aber wie schon gesagt, eine so hohe Mortalitätsrate wurde seitdem nicht mehr beobachtet und entsprechend niedriger wird die Zahl der Toten sein.
Das zweite Szenarium nimmt an, dass H5N1 direkt vom Geflügel auf den Menschen übertragen wird. Dies erfolgt vermutlich in der Peripherie eines Staates oder in einem der kollabierten Staaten, wo es offiziell eine Zentralregierung gibt, aber große Regionen sich selbst überlassen sind oder von konkurrierenden Eliten regiert werden (Beispiele: Afghanistan, kurdische Regionen vom Irak und der Türkei, verschiedene afrikanische Staaten). Viele der bisherigen Infektionen von Menschen mit dem H5N1-Subtyp erfolgten im ländlichen Raum, was zu erwarten ist. Doch dieser ländliche Raum hat noch eine wesentliche weitere Eigenschaft; der Staat und damit ein modernes Beobachtungsinstrumentarium für ungewöhnliche Erkrankungen ist in diesen Regionen nur wenig oder gar nicht präsent. Die WHO hat ein weltweites Netz von Beobachtungsstationen, die neue Erkrankungen registrieren und untersuchen. Ein Staat wie China ist nur bedingt kooperativ wie in der SARS-Krise zu beobachten war. Lokale und regionale Interessen führten dazu, dass nicht alle Erkrankungen sofort an die nationalen Institutionen weitergeben wurden.
Ungewöhnliche Erkrankungen führen in der ländlichen Peripherie auch nicht dazu, dass von den erkrankten Personen oder ihren Angehörigen Hilfe von staatlichen Stellen gesucht wird. Die Beulenpest oder Cholera bleiben deshalb in einigen Gebieten endemisch.
Nachdem genügend Menschen an einen Ort oder einer Region eine direkte Infektion mit dem aviären Influenzavirus erlebt haben und zusätzlich eine humane Variante des Influenzavirus in diesem Ort oder Region epidemisch auftritt, wird es zu einer Vermischung und Rekombination kommen und eine neue Pandemie beginnt. Das wäre der schlimmste Fall, den dieses Virus würde vermutlich zu einer viel höheren Mortalität führen, als im ersten Szenarium beschrieben.
Aus den Erfahrungen der beobachteten Pandemien ist bekannt, dass sich das Virus in seiner Gefährlichkeit innerhalb weniger Jahre abschwächt. Doch die weltweite direkte Kommunikation ist heute viel schneller als zur Zeit der letzten Pandemie der Hongkong-Grippe von 1968. Kein politisches System der Welt (auch nicht Nordkorea!) kann effektiv eine Pandemie stoppen oder dem Virus entgehen. 1918 wurde nur die Insel St. Helena im Südatlantik nicht infiziert. Die Reisezeit zur Insel dauerte so lange, dass jedes mögliche Virus an Bord eines Schiffes bereits wirksam wurde und keine Menschen, die andere Menschen noch infizieren konnten, das Schiff in St. Helena verließen.
Aktuell wird es darum gehen, die Pandemie zu verlangsamen. Das öffentliche Leben wird, wie 1918 lokal, regional oder sogar national für einige Wochen stark eingeschränkt werden. 1918 wurden Schulen geschlossen, Kino- und Theateraufführungen verboten und allgemein davor gewarnt, sich in größere Menschenansammlungen zu begeben (öffentlicher Nahverkehr, etc.). Tamiflu und andere Medikamente werde die Erkrankung möglicherweise abschwächen, aber dennoch wird das Virus erst einmal 100 Prozent der Weltbevölkerung betreffen.
Die Influenza-Pandemie kommt und das ist kein Kassandraruf, es ist nur die Frage, wann und wie gewaltig.
Zwei meiner Publikationen sind nun online! Ich habe hierzu zwei Einleitung geschrieben, die dann zu den Aufsätzen führen:
3 Kommentare:
Hallo Big brother...
Mensch, das liest sich ja echt interessant:-), sag mal, ich setze mich ja auch mit der vogelgrippe auseinander, da ich ja meine beiden Katzen mit Rohfleisch und zum grössten teil mit Geflügelfleisch füttere, hatte jetzt wieder damit angefangen, weil ich dachte Gefahr gebannt, Zugvögel alle weg, aber das war wohl ein Trugschluss, hast du irgendeine verlässliche Quelle, die mir Auskunft bezüglich der Ansteckungsgefahr auf andere Haustiere geben kann, ist es überhaupt wahrscheinlich das Katzen sich am rohen Fleisch anstecken könnten ???Vielleicht kannste ja mal kucken...schön mal wieder was von dir gehört zu haben..liebn Gruss Nicole und Andreas aus Ahausen
Hallo Nicole und Andreas,
der Influenza-A-Virus wurde bisher bei Schweinen, Pferden und einer Vielzahl von domestizierten und wilden Vogelarten isoliert. Hunde und Katzen sind nicht betroffen.
Wenn diese Tiere an Erkältungskrankheiten leiden, sind es andere Erreger.
Der Virus überlebt bei Minus 4 Grad etwa einen Monat. Um euch zu beruhigen, achtet einfach darauf, dass das Geflügel aus Deutschland stammt und in Deutschland verarbeitet wurde. Bei der Perversion der heutigen Lebensmittelindustrie bestände sonst die Gefahr, dass die getöteten Tiere für die Verarbeitung in Kühlwagen quer durch Europa gefahren wurden und es gibt leider auch Europa Regionen, in denen die geforderten Hygiene- und Schutzmassnahmen nur halbherzig umgesetzt werden.
Man o man unsrer Fahrgemeinschaft ist ein ganz besondere Vogelgrippenfall aufs Dach gefallen. Seht selbst :Fahrgemeinschaft: Vogelgrippe ? Selbstmord ? Stofftier ?
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