Mit einer nicht abgeschlossenen Dissertation zur Geschichte der Spanischen Influenza im subsaharischen Afrika und verschiedenen Referaten und internationalen Diskussionspartnern zum Thema habe ich hier eine spezielle Qualifikation, die leider seit mehreren Jahren nur wenig ergänzt wurde.
Ein Kollege aus Berlin, der seine Dissertation zur Spanischen Influenza in Baden (und dem Deutschen Reich) 2003 abgeschlossen hat, hat zu neuen Überlegungen angeregt. Ich möchte in mehreren Teilen meine Gedanken zur Influenza ausführen und dabei auch einen Blick auf die aktuelle, so genannte Vogelgrippe werfen.
Da ich jahrelang (!) zur Influenza geforscht habe, verzichte ich auf virtuelle Referenzen und verweise auf meine Publikationen.
Zwei meiner Publikationen sind nun online! Ich habe hierzu zwei Einleitung geschrieben, die dann zu den Aufsätzen führen:I. Grundlagen
Das Influenzavirus führt zu einer Erkrankung sowohl bei Menschen, als auch bei Pferden, Schweinen und Vögeln. Letztere sind das natürliche Reservoir für das Virus. Das Virus von dem hier die Rede ist, ist das so genannte A-Virus, der an seiner Oberfläche mit zwei Proteinen besetzt ist. Haemagglutinin und der Neuraminidase, die in der Klassifizierung als H und N im Namenszusatz abgekürzt werden, treten in verschiedenen Untertypen auf, so dass mehrere Dutzend verschiedene Kombinationen vom Influenza-A-Virus möglich sind. Alle Kombinationen wurden bereits bei Vögeln isoliert, aber nicht jede Kombination führt zu einer Erkrankung. Der Mensch war bisher von mindestens drei verschiedenen Virensubtypen betroffen. H1N1 breitete sich als Spanische Influenza zwischen 1918 und 1920 aus und tötete mehr als 30 Millionen Menschen; seit 1957 trat die Asiatische Influenza mit dem Subtyp H2N2 auf und 1968 gab es den letzten genetischen Shift zur H3N2, die als Hongkong-Grippe bezeichnet wurde. Zur Übertragung vom Tier auf den Menschen folgt ein weiterer Teil.
Nach einer Erkrankung erwirbt der Mensch eine beschränkte Immunität gegen den zirkulierenden Influenzavirus. Da sich aber bei den jeweiligen Subtypen (HxNx) wiederum verschiedene Varianten ausbilden, haben viele Menschen nur eine Immunität gegen diese regionale Variante. Wenn ein genetischer Shift erfolgt, also ein neuer Influenza-Subtyp sich so weit verändert hat, dass er von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, ist theoretisch 100 Prozent der Weltbevölkerung von einer Infektion und Erkrankung bedroht. Dies wird im Gegensatz zu einer Epidemie dann als Pandemie bezeichnet. Da die Virenkombination aber wieder auftreten, haben insbesondere ältere Menschen eine beschränkte Immunität gegen einen neuen Subtyp. H1N1 der Spanischen Influenza ist vermutlich bereits 60 Jahre vorher aufgetreten, da Menschen über 60 und besonders über 70 Jahre deutlich weniger betroffen waren. H2N2 der Asiatischen Influenza war wahrscheinlich auch der Erreger der Russischen Influenza (seit 1888), denn auch hier sind Menschen über 60 Jahre signifikant weniger betroffen gewesen. Ähnlich verhält es sich mit dem H3N2-Subtyp, der die Hongkong-Grippe auslöste. Die Krankheits- und Sterbestatistiken lassen es als wahrscheinlich erscheinen, dass dieser Subtyp bereits 50 Jahre vorher (also vor 1918) zirkulierte.
Eine Frage mag hier bereits aufkommen, woher stammt eigentlich der jeweilige Name für die Seuche. Zunächst sollte in der deutschen Sprache zwischen Influenza und Grippe unterschieden werden. Das eine ist der wissenschaftliche und das andere der populäre Name einer Erkrankung. Wenn der Volksmund oder die Medien von Grippe oder grippaler Infekt spricht, hat dies oftmals nicht mit der durch den Influenzavirus verursachten Krankheit zu tun. Etymologisch bezeichnen sowohl Grippe als Influenza die epidemische Ausbreitung einer Infektionskrankheit, die vor allem die Atemwege betrifft.
Für Grippe gibt es zwei mögliche sprachgeschichtliche Erklärungen. Zum einen verweist eine Spur nach Frankreich und erklärt zum einen dies mit der Namensähnlichkeit zum plötzlichen Auftreten von Schadensinsekten (einer unerklärlichen Laune oder Grille der Natur) und dem Verb „greifen“, da die Erkrankten sich im plötzlichen Griff dieser Seuche befinden. Eine andere etymologische Spur verweist auf das Russische und erklärt den Namen mit den slawischen Wortstämmen für Rachen und trockenen Husten, einem Kennzeichen der Grippe. Die frühesten Belege stammen aus einer Zeit, als in Russland die Elite –also auch die Ärzte- frankophil waren und entsprechend läßt sich dieses Namensrätsel noch nicht lösen.
Nun zum Ursprung des Namens Influenza. Hier ist eindeutig das alte medizinische Konzept, dass der Einfluß (Influenza) der Sterne sich unmittelbar auf den Menschen auswirkt. Dies konnten zunächst verschiedene Krankheiten sein, die mit ungewöhnlichen oder zumindest bemerkenswerten Sternenkonstellationen in Verbindung gebracht wurden. Das Oxford English Dictionary nennt als frühesten Beleg für eine Krankheit, die sehr wahrscheinlich eine Influenza-Epidemie war, das Jahr 1504. Im Norden von Italien wurde eine Epidemie von Fieber und Husten beschrieben und am Sternenhimmel war etwas ungewöhnliches zu sehen. Ungefähr alle 20 Jahre zieht Jupiter an Saturn vorbei und vorher und nachher kann es zu einem Dreieck der Planeten Jupiter-Saturn-Mars kommen. Im Oktober 1503 und wieder im Januar-Februar 1504 kam es zu einer besonderen Konstellation dieser Planeten. Alle drei standen in Oppostion zur Sonne und entsprechend waren die Planeten die ganze Nacht zu sehen. In den genannten Monaten bildeten Sie ein gleichschenkeliges großes Dreieck. Ich habe alle Durchgänge von Jupiter und Saturn zwischen 1400 und 1610 überprüft und nur in den genannten Zeitraum kam es zu so einen von allen Menschen deutlich zu sehenden Dreieck. „It makes perfect sense to name this disease after such an unusual event“ („What’s in a name“, Referat in Kapstadt 1998). In Italien war damit der Name etabliert und als 1742-43 eine Epidemie sich scheinbar von Italien ausbreitete, wurde der Name „Influenza“ im westlichen Europa für diese epidemische Krankheit bekannt.
Ich bevorzuge die Bezeichnung Influenza!
Die Medien wollen der Krankheit, wenn sie dann epidemisch auftritt, signifikante Namen geben (Hühnerpest, Vogelgrippe). Bisher wurden die Pandemien nach ihren vermuteten Ursprungsregionen benannt. Die Russische Influenza kam seit 1889 aus dem fernen Osten, wurde aber in Europa mit Russland in Verbindung gebracht. Die Spanische Influenza 1918 hat ihren Namen aus einer Facette des 1. Weltkrieges. Strikte Zensur verhinderte die Berichterstattung über epidemische Krankheiten in den kriegsbeteiligten Staaten. Spanien war neutral und als seit etwa 30 Prozent der Bevölkerung (darunter auch der spanische König) mit der Krankheit darniederlagen, wurde nur hier ausführlich darüber berichtet. Die Spanische Krankheit erreichte nun auch die internationalen Medien. Der erste dokumentierte Ausbruch stammt aber aus dem Camp Funston in Kansas (März 1918), einem der Massenlager für die Ausbildung von US-Rekruten. Parallel gab es übrigens eine schwere Epidemie unter Schweinen in benachbarten Zuchtbetrieben. US-Truppen brachten das Virus nach Europa, wo erstmals am 15. April 1918 schwere Fälle von Influenza aus dem US-Camp in Bordeaux gemeldet wurden.
Die Asiatische Grippe (ab 1957) und die Hongkong-Grippe weisen auf den Ursprung vieler für den Menschen gefährliche Influenza-Subtypen hin, Südchina. Hier gibt es auf engsten Raum traditionelle Geflügel- und Schweinezucht zum Teil in den gleichen Gebäuden, in denen die ländliche Bevölkerung lebt.
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