Mittwoch, Mai 17, 2006

EU-Erweiterung um Bulgarien und Rumänien

In einer Aufzählung der Stufen meiner regionalen Identität würde Europäer stets vor Deutscher kommen und deshalb verfolge ich die großen europäischen Themen (Verfassung, Erweiterung) mit regem Interesse. Meine digitale Kennung ist nicht zufällig Ulaya.

Gestern wurde der neue Fortschrittsbericht für die kommenden EU-Länder Rumänien und Bulgarien veröffentlicht. Die Europäische Kommission hat hierzu eine positive Pressemitteilung veröffentlicht. Der eigentliche Monitoringbericht wurde als MEMO/06/201 der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Ich halte die Entscheidung Rumänien und Bulgarien bereits zum 1. Januar 2007 in die EU aufzunehmen für falsch! Den Ländern ist vertraglich zugesichert, dass sie Mitglied werden, aber sie sind einfach noch nicht so weit und die EU ist zur Zeit überhaupt nicht in der Lage weitere Länder aufzunehmen. Die politische Elite der EU will einfach nicht begreifen, dass die schnelle Erweiterung die Idee eines vereinten Europas in den Köpfen der Menschen nicht fördert, sondern nur Ängste schafft. Es geht hierbei nicht um eine Verteidigung einer Insel der Glückseligen. EU-Europa muss positiv in den Köpfen verankert werden und die Bürger der EU15 haben die Erweiterung zur EU25 noch nicht realisiert. Der Reiseverkehr dokumentiert diese Mauer zwischen der alten und neuen EU.

Die von der EU überprüften Kriterien der Umsetzung von EU-Verordnungen in nationales Recht oder die selbst in den beiden Ländern nicht bestrittene extreme Korruption und fehlende Rechtsstaatlichkeit sind gewichtige Gründe für eine verzögerte Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU. Jedoch der Hauptgrund für eine Ablehnung liegt einfach an den Abstand dieser beiden Ländern zum Lebensstandard in der übrigen EU.
Die Regionalstatistik für die alten EU15 zeigt, dass weiterhin Portugal (ohne Lissabon), der gesamte Süden Spaniens, das Mezzogiorno Italiens, Griechenland (ohne Athen), die DDR (ohne Berlin) und einzelne Regionen in Irland und Finnland weniger als 75 Prozent des durchschnittlichen Einkommens aller EU-Staaten (dargestellt als Kaufkraftparität) haben. Die Staaten der EU-Erweiterung zum 1. Mai 2004 hatten einen Einkommensstandard von 41 (Lettland) bis 77 (Slowenien) Prozent. Bulgarien und Rumänien haben sogar nur etwa 30 Prozent des Einkommens. Als BIP haben die Länder sogar nur weniger als 11 Prozent des Durchschnitts der EU25. Die beiden Länder bräuchten elf Jahre eine Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens von jeweils mehr als fünf Prozent über den EU-Durchschnitt nur um 50 Prozent des Durchschnittseinkommens zu erreichen. Die Länder sind zu arm, um jetzt schon in die EU aufgenommen zu werden. Es ist ein zynischer Trost, dass mit dem neuen Durchschnittseinkommen der EU27 viele bisher relativ arme Regionen dann statistisch nicht mehr arm sind.

Die offiziellen Gründe sind natürlich auch wichtig und es hat viel mit Diplomatie zu tun, dass Bulgarien und Rumänien von der EU positiv bewertet werden. Es werden unnötig Konflikte aus diesen Vielvölkerstaaten in die EU getragen. Ich meine hier besonders die Tatsache, dass etwa 10 Prozent der Bevölkerung beider Staaten Roma sind, die dort und nicht nur dort vollständig ausgegrenzt werden. Die Probleme der Integration müssen erst in den beiden Beitrittsländern gelöst werden, da europäische Verordnungen hierzu nur Richtlinien geben können.
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siehe auch:
10. Februar Zwei Gastbeiträge oder Beobachtungen aus Bukarest
11. März Rumänien - Fortschrittsbericht

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