Wie wird eigentlich der Regelsatz berechnet? Nach Meinung der Bundesregierung nach streng objektiven Statistiken und realen Bedürfnissen. Alle fünf Jahre werden 53.000 Haushalte in der Einkommens- und Verbraucherstichprobe befragt. Es werden Einnahmen und Ausgaben, Vermögen und Schulden und die Wohnsituation inklusive der Ausstattung erfasst. Diese Stichprobe fand zuletzt 2003 statt und nun liegt die Analyse dieser Zahlen vor. Dabei ist zu beachten, dass für die Berechnung des Regelsatzes des Sozialgeldes nur die Werte der armen Bevölkerung (untere 20 Prozent der Stichprobe) verwendet werden.
Und hier wird es absurd. Etwa 11 Millionen Menschen sind in Deutschland vom Sozialgeld abhängig. Dies entspricht 13 Prozent der Bevölkerung. Diese Menschen gehören alle zu den unteren 20 Prozent der Einkommensverteilung. In dieser Bevölkerung stagniert seit Jahren durch die verschiedenen Strukturanpassungen innerhalb der staatlichen Leistungen das Einkommen und damit natürlich auch die Ausgaben. Wirtschaftswachstum und Einkommenssteigerung gehen an dieser großen Bevölkerungsgruppe vorbei. Damit stagniert auch die Berechnungsgrundlage und oh Wunder, die neue Berechnung ergab, dass der notwendige Bedarf bei €344,52 liegt und deshalb keine Veränderung des seit mehreren Jahren gültigen Regelsatzes notwendig ist.
Staatssekretär Thönnes präsentierte die neuen Zahlen und zeigte die Arroganz eines Technokraten, der augenscheinlich glaubt, dass er mit objektiven Zahlen operiert.
Die einzelnen Haushaltsposten haben sich in den letzten Jahren verschoben. Es sanken zum Beispiel bei den Armen die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben für „Verkehr“ auf €59,36. Hierzu ein Zitat aus der Reportage:
„Ob es denn sein könne, will die Journalistin wissen, dass die Sozialhilfeempfänger nur deswegen weniger Geld für Bus und Bahn ausgeben als früher, weil ihnen dieses Geld einfach fehle. Thönnes überlegt einen Moment. „Das ist theoretisch möglich“, sagt er.Ich neige zu absurden Vergleichen, aber solch ein Schwachsinn unserer politischen Elite fordert mich hierzu auf. Wie wäre es mit dieser Statistikinterpretation: Die geringen Ausgaben für Reisen nach Westeuropa in der DDR beweisen, dass es kein Bedürfnis nach solchen Reisen gab. Oder hiermit: Das tägliche Tageslicht beweist, dass es keine staatliche Notwendigkeit gibt, Ausgaben für Beleuchtung zu unterstützen. Mir fällt ohne Mühe noch mehr Schwachsinn ein, der es mit den Aussagen und Interpretationen von Staatssekretär Franz Thönnes aufnehmen kann.
Aber diese Aussage passt nicht in seine Welt. Sie ist zu vage. „Wir reden hier nicht darüber, ob etwas teurer geworden ist“, schiebt der Staatssekretär hinterher. „Wir reden darüber, wie eine bestimmte Leistung von den Verbrauchern abgefragt worden ist. Das ist ein weitgehend objektives Element.“
(„Unter Sachkennern der Szene“ von Jens König, taz vom 19. Mai 2006, S. 15)
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