Montag, Januar 02, 2006

Europa und Gedanken zur Bürgerlichkeit

Der Jahreswechsel ist wieder Anlass für einen Blick in die Zukunft. Für die EU heißt dies, dass zunächst Österreich und dann Finnland die Führung übernehmen und die Debatte über den misslungenen Verfassungsentwurf weitergeführt wird.
Eine Verfassung sollte für die Ewigkeit –hier einmal vereinfacht als mehr als eine Generation von Politikern und Verwaltungsbeamten definiert- geschrieben sein. Die Verfassung ist in vielen Teilen sehr gelungen, doch es gibt Passagen, die den Gesamttext (und nur über DEN wird diskutiert und abgestimmt) ruinieren.
Artikel I-41 „Besondere Bestimmungen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ oder Artikel III-161ff. „Vorschriften für Unternehmen, etc.“ sind Belege dafür, wie die vorherrschende wirtschaftspolitische Ideologie und Lobbyisten Passagen in den Text gedrückt haben, die vielleicht sinnvoll in den halbjährlichen Memoranden eines Gipfeltreffens erscheinen mögen.
Auch in den verschiedenen Medien wird ein Blick in die europäische Zukunft gemacht. Ich möchte auf Zitate der liberale Budapester Tageszeitung Magyar Hirlap, den Dernières Nouvelles d'Alsace aus Straßburg und das Luxemburger Wort verweisen. Insbesondere Letztere stellt die stets berechtigte Frage, wieweit soll die EU reichen. Denn was ist wichtiger: Eine europäische Einigung in der EU und eine einige EU?

Ich habe so meine Probleme mit sich elitär gebenden Menschen. Gestern schaute ich mir die „Du bist Deutschland“-Propaganda ohne Ton an (wenn ein Werbeblock beginnt, wechsle ich nicht immer den Sender, sondern schalte oftmals einfach den Ton ab). Schöne, erfolgreiche Menschen sind von „Normalos“ umgeben und sollen diesen etwas von dem Lebens- und Zukunftsoptimismus der ErfolgReichen vermitteln. Wissen diese Protagonisten eigentlich, wovon sie sprechen oder wessen Texte sie sprechen? Ich möchte ernsthaft bezweifeln, dass diese Menschen wirklich wissen, was in der erodierenden Mittelschicht und der wachsenden Unterschicht abläuft. Am Ende appellieren Oberschichtsmenschen an Gleichgesinnte und Menschen, die davon träumen, auch einmal dazu zu gehören.

Da empfehle ich lieber ein Gespräch zwischen Prof. Dr. Paul Nolte (Zeitgeschichte FU Berlin) und Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (Emeritus, ehemals Director der London School of Economics, EU-Kommissar, etc.; Lord Dahrendorf ist Mitglied des britischen Oberhauses). Sie unterhalten sich über einen gleichzeitigen Trend zur Bürgerlichkeit und zur Antibürgerlichkeit. Zwei sich selbst als „public intellectuals“ bezeichnende Menschen führen einen aufschlussreichen Dialog über Elite, Religion und die Bürgergesellschaft („civil society“).
Das einzige, was ich auch hier vermisse, ist das die Warnung der 90er Jahre vor einer Zweidrittelgesellschaft (2/3 haben eine Arbeit und eine Position in der Gesellschaft; der Rest muss sich arrangieren) nunmehr Realität ist und viele der gegenläufigen Trends damit besser zu verstehen sind.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich würde Magyar Hírlap nicht als 'liberal' bezeichnen - seit wann sind Postkommunisten und Gerontoapparatschiks, die zum Anlass des Todes von Stalin Trauergedichte schrieben, 'liberal'? Es sei denn, natürlich, wir betrachten den Wahnsinn, den die Democrats in den USA und die SZDSZ in Ungarn treibt, als 'liberal'.

Brauel in Ulaya hat gesagt…

Ich weiss du ein Kommunistenfresser bist ...

Die Democrats sind tatsächlich nicht liberal sondern verlogen bürgerlich. Die letzten beiden Adjektive treffen natürlich auch auf die Republicans zu, aber es gibt doch noch genügend Unterschiede zwischen diesen beiden Parteien in dieser sehr merkwürdigen politischen Landschaft, die sich USA nennt.