Donnerstag, Februar 05, 2009

Ghana und private Adressen

10.04.07
Es ist üblich, dass man Freunden oder guten Bekannten einige Adressen vor einer ersten Reise in ein fremdes Land zusteckt. Wenn dies private Adressen sind, sollten vorher die Personen in diesem Land gefragt und informiert werden. Denn es kann unangenehm werden, wenn plötzlich eine wildfremde Person am Telefon oder sogar an der Haustür sich meldet und sich auf einen gemeinsamen Bekannten bezieht.
Ich erhalte seit etwa drei Jahren immer wieder einmal Anrufe von Ghanaern, die ich nicht kenne und hierzu gibt es zwei Geschichten.

Bis vor einem Jahr erhielt ich mehrmals immer wütendere Anrufe von einer Ghanaerin und einem Ghanaer aus London. Sie erwarteten unter meiner Telefonnummer einen Verwandten aus Ghana zu erreichen. In der Regel sprachen diese Personen einen längeren Text auf meinen Anrufbeantworter. Es war dies ein Gemisch aus Englisch und ich vermute einmal Twi (sprich Dschwi), die Lingua franca in Ghana. Es wurde einer Person ins Gewissen geredet, sich endlich einmal zu melden. 2-3 Mal hatte ich diese Kontaktpersonen aus London selbst am Telefon. Es brauchte auch diese 2-3 Gespräche, bis ich überzeugend klar gemacht hatte, das die gesuchte Person nicht nur heute, sondern nie unter dieser Adresse zu erreichen war, ist und sein wird. Es war auch kein Zahlendreher. Sie hatten meine Telefonnummer als Kontaktadresse erhalten.

Ich habe konkret einen Afro-Deutschen, der in Ghana geboren wurde, in Verdacht, dass er meine Telefonnummer als seine ausgegeben hat, damit die gierige Verwandtschaft ihn nicht mehr mit Geld- und Sachwünschen bzw. Verfluchungen nervt und tyrannisiert. Ich habe vor etwa sechs Jahren jeden Kontakt zu diesen Mann abgebrochen, nachdem er mich schwer beleidigt hat und sich nie entschuldigte. Wir sehen uns auf
Veranstaltungen, die einen Bezug zu Ghana haben, aber wir grüßen uns noch nicht einmal mehr.
Das ist nun einmal ein trauriger Teil der Migration. In Ghana steht Deutschland für ein wirtschaftliches Paradies, in dem es allen Menschen sehr gut geht. Aus der Perspektive eines Taxifahrers (und das ist ein konkreter Job) in Accra kostet eine Flugreise nach Deutschland und zurück mehr als ein Jahresgehalt. Jede Person, die es geschafft hat, einen legalen Aufenthalt in Deutschland zu erreichen, ist ein gemachter Mensch. Das dies nicht mit der Realität dieser Personen in Deutschland übereinstimmt, interessiert niemanden in Accra. Ich kenne einige Menschen aus Ghana, die hier in Hannover unter erbärmlichen Bedingungen leben. Doch von diesen wird erwartet, dass sie bei einem Besuch in Accra Geschenke im Gesamtwert von mehreren tausend Euro für die Familie (und die Familie ist groß, sehr groß) mitbringen. Der Ghanaer, der wohl meine Nummer weiterreichte, klagte einmal bitter, dass die Reisen zur Familie in Accra ihn ruinieren. Fehlender wirtschaftlicher Erfolg wird von den Menschen in Ghana einfach nicht geglaubt.

Und dann gab es früher und aktuell auch Anrufe direkt aus Accra. In der letzten Woche vier Anrufe aus Accra. Mein Anrufbeantworter zeichnet alle Nummern auf, die mindestens dreimal klingen lassen, egal, ob ich abnehme oder die Maschine angeht. +233 243 und +233 249 stehen für Festnetz- und Mobiltelefonnummern aus der Hauptstadt Ghanas. In allen vier Fällen ging ich ans Telefon und sprach jeweils mit demselben Mann, der konkret auch nach "Jürgen" fragte. Ich meldete mich mit meinem Namen und fragte nach seinem. Er sagte ihn auch und fügte hinzu, dass ich ihn nicht kennen würde. Ein nicht genannter gemeinsamer Bekannter hatte ihn die Telefonnummer gegeben. Zweimal wurde das Gespräch von ihn unterbrochen, nachdem ich auf der anderen Seite noch eine weitere Person in Hörweite des Telefons hören konnte. Hat da jemand den Zugriff auf das Telefon von jemanden ausgenutzt und wurde erwischt? Solche Geschichten habe ich in Accra gehört. Die Glücklichen mit einem Festnetzanschluss, die ihr Telefon schützen müssen, damit nicht unerwartet eine hohe Rechnung auf sie zukommt oder Diensttelefone, die für Überseegespräche missbraucht wurden und zur Kündigung der betreffenden Person führten.
Heute gab es zwei weitere Versuche dieses Mannes. Nachdem er bisher nie Anstalten gemacht hatte, sich richtig zu identifizieren oder seinen Kontakt zu mir zu nennen, war meine spontane Reaktion, dass ich nun auflaufen lasse. Im ersten Gespräch sprach ich einfach kein Wort Englisch. Er wurde immer ratloser und nach zwei Minuten war das Gespräch vorbei. Er dachte wohl, dass er diesmal die falsche Nummer gewählt hatte und nur eine Minute später war er wieder am Telefon. Diesmal sagte ich ihn erst auf Deutsch und dann auf Englisch in einem sehr rüden Tonfall "I do not know you, I cut the connection, good bye".

Das ist jetzt keine besondere Härte. Ich habe auf meinen verschiedenen Reisen in fast jeden Land jüngere Erwachsene getroffen, die sich intensiv bemühten mich in ein Gespräch zu verwickeln und schließlich eine Adresse zu bekommen. Auf den ersten Reisen nach Kenya und Tanzania war ich noch so naiv und habe danach über mehr als fünf Jahre Bettelbriefe erhalten. Ich habe mir zur Regel gemacht, dass mich mir bereits bekannte Personen in einen Kreis einführen, so dass es eine eindeutige Verbindung gibt. Ausnahmen sind natürlich meine Arbeits- und Forschungsaufenthalte, wo ich mit Kollegen und Angestellte der besuchten Institutionen viele freundliche Gespräche führte. Ich hatte damit zum Beispiel in Ghana mein eigenes Netzwerk und verbrachte bei jeder Reise stets eine Woche damit, alle Bekannten wieder aufzusuchen.

Es ist siebeneinhalb Jahre her, dass ich zuletzt in Accra war und meine Kontakte in die Stadt sind bis auf eine Adresse langsam eingeschlafen. Menschen aus Ghana, kenne ich nun vor allem, weil sie in Hannover leben.

Keine Kommentare: